Curry bremste und brummelte einen Fluch, als ihm eine schwarze Stretchlimousine die Vorfahrt nahm, während er sich durch den Stau vorankämpfte, der bis zum Holland Tunnel reichte. D’Agostas größte Hoffnung, irgendeine Art von berichtenswertem Durchbruch zu erzielen, stellte die Vernehmung dar, zu der er jetzt unterwegs war, eine sehr vielversprechende Spur im Mordfall Cantucci. Er wusste mit fast hundertprozentiger Sicherheit, dass der Mörder mit der Sicherheitsfirma Sharps & Gund in Verbindung stand – als Mitarbeiter oder Ex-Mitarbeiter. Er befand sich auf dem Weg zur Befragung eines gewissen William Paine, einem der beiden Sharps-&-Gund-Techniker, die Cantuccis Haus mit der Sicherheitsanlage ausgerüstet hatten. Zwar wusste D’Agosta bereits, dass Paine selbst nicht tatverdächtig war – er hatte verifiziert, dass der Mann in den vergangenen drei Wochen in Dubai gewesen war, zum Zweck der Installierung einer umfangreichen Sicherheitsanlage. Er war sich jedoch sicher, dass Paine ihm Hinweise auf andere mögliche Tatverdächtige geben konnte. Wichtiger noch: Paine könnte bestätigen, dass es sich bei dem Mord um die Tat eines Insiders handelte. Mehr als alles andere benötigte D’Agosta hieb- und stichfeste Informationen, die Sharps & Gund mit dem Mord an Cantucci in Verbindung brachten, nicht bloße Spekulationen, sondern etwas so Solides, dass man damit an die Öffentlichkeit gehen konnte.
Sie verließen den Holland Tunnel und fuhren durch Hudson County, über die Newark Bay und durch die Industriewüste von Port Newark, bis sie schließlich in dem kleinen Wohngebiet Maplewood ankamen. Einmal abbiegen, dann noch einmal, nach dem dritten Mal waren sie am Ziel. Dort stand, am Kantstein geparkt, Pendergasts Rolls. Proctor saß als dunkle Gestalt hinterm Steuer und wartete.
Das Haus war ein unscheinbarer, zweistöckiger Bau im Kolonialstil mit weißen Schindeln, davor brauner Rasen und ein Garten, dessen Pflanzen in der frühwinterlichen Kälte verdorrt waren.
Curry parkte hinter dem Rolls, dann stiegen sie aus und gingen zur Haustür, klingelten. Ein großer, dicker Mann kam mit schweren Schritten an die Tür und stellte sich ihnen als Paine vor. »Das FBI ist schon da«, sagte er mürrisch, während sie hinter ihm ins Wohnzimmer gingen.
Pendergast, so hager und blass wie immer, saß auf dem Sofa. D’Agosta holte sein iPad hervor, auf dem er sich manchmal Notizen machte, Curry zückte seinen Stenoblock. Pendergast machte sich niemals Notizen, er schien auch nie Papier und Bleistift bei sich zu haben.
»Lieutenant«, sagte Pendergast, »ich habe auf Sie gewartet und dem heftigen Verlangen widerstanden, Fragen zu stellen.«
D’Agosta nickte, wodurch er seine Dankbarkeit zeigte. Er und Curry nahmen Platz, Paine ebenfalls.
»Lassen Sie mich Ihnen zunächst versichern, dass Sie nicht tatverdächtig sind«, sagte D’Agosta. »Haben Sie das verstanden?«
Paine nickte und legte die Hände zusammen. Er sah ein bisschen vernachlässigt aus, seine Augen blutunterlaufen, die Kleider zerknittert, die Haare zerzaust. Jetlag vielleicht? »Ich möchte so hilfreich sein, wie ich nur kann«, sagte er in einem Tonfall, der das genaue Gegenteil nahelegte.
D’Agosta stellte ihm zunächst die üblichen Fragen hinsichtlich Alter, Wohnort, wie lange er schon bei Sharps & Gund arbeite und so weiter, worauf er kurze, wenig informative Antworten erhielt. Schließlich kam er zum Thema.
»Bitte beschreiben Sie uns das Sicherheitssystem in Cantuccis Haus. Wie es funktioniert, wie es installiert und vor allem wie es umgangen wurde.«
Woraufhin Paine die Arme vor der Brust verschränkte und das System ganz allgemein zu beschreiben begann, im Grunde so, wie es Marin zuvor auch getan hatte. D’Agosta hörte zu, machte sich ein paar Notizen, wobei sich ihm der Eindruck aufdrängte, dass der Typ irgendetwas verschwieg. Er stellte mehrere bohrende Fragen zu Details des Systems und bekam darauf wieder nur vage Antworten und Ausflüchte zu hören, bis Paine schließlich sagte: »Ich kann wirklich keine weiteren Fragen technischer Natur beantworten.«
»Und wieso nicht?«
»Sie müssen doch wissen, dass ich eine Geheimhaltungsvereinbarung über das alles unterschrieben habe und nicht darüber sprechen darf. Ich könnte entlassen, sogar strafrechtlich verfolgt werden.«
»Hat Ingmar Ihnen mit Vergeltung gedroht für den Fall, dass Sie mit uns reden?«, fragte D’Agosta.
»Nicht direkt, aber die allgemeine Botschaft war deutlich.«
»Mr. Paine, möchten Sie die Befragung beenden? Sollte dies der Fall sein, so müssen Sie wissen, dass wir einen richterlichen Beschluss erwirken und Sie mit aufs Präsidium nehmen, und Sie dadurch gezwungen sein werden, unsere Fragen unter Eid zu beantworten.«
»Das ist mir klar.«
»Wollen wir das so machen?«
»Ja. Denn auf die Weise werden Sie mir den Rücken freihalten.«