»Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Presse, liebe Einwohner der großartigen Stadt New York, ich begrüße Sie«, dröhnte er mit seiner legendär tiefen Stimme. »Es ist der Grundsatz unserer Polizei, unsere Bürgerinnen und Bürger über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse ständig informiert zu halten. Und deshalb sind wir heute hier. Ich kann Ihnen versichern, dass sämtliche Ressourcen der Stadt in den Dienst dieser Ermittlungen gestellt worden sind. Und nun wird Captain Singleton Ihnen den Fall im Einzelnen vorstellen.«
Er verließ das Podium. Kein Händeschütteln, dazu war die Sache zu ernst.
Singleton nahm Platz auf dem Podium, wartete, bis der Geräuschpegel gefallen und raschelnde Ruhe eingekehrt war.
»Um vierzehn Minuten nach zwei am heutigen Morgen«, begann er, »reagierte die East Hamptoner Polizei auf mehrere Alarme in einem Haus an der Further Lane. Als die Beamten eintrafen, fanden sie im Haus und auf dem großen Grundstück sieben Leichen. Es handelte sich um die Opfer eines mehrfachen Mordes – sechs Wachleute sowie der Eigentümer des Anwesens, ein russischer Staatsbürger mit Namen Viktor Bogatschjow. Zudem wurde Mr. Bogatschjow enthauptet vorgefunden, und der Kopf ist verschwunden.«
Das löste einen Wirbel von Aktivitäten seitens der Zuhörerschaft aus. Singleton machte ungerührt weiter. »Die East Hamptoner Polizei hat die Unterstützung des NYPD erbeten, um feststellen zu können, ob dieses Kapitalverbrechen mit der kürzlich erfolgten Ermordung und Enthauptung von Mr. Marc Cantucci in der Upper Eastside in Zusammenhang steht …«
Singleton berichtete weiter über den Fall in allgemeinen Worten, wobei er einen Schnellhefter mit Notizen konsultierte, die D’Agosta für ihn zusammengestellt hatte. Anders als der Bürgermeister sprach Singleton mit monotoner, polizeijargonmäßiger, ausdrucksloser Stimme – im »Das sind die Fakten«-Tonfall –, während er jede Seite betont langsam umblätterte. Er redete rund zehn Minuten lang, wobei er die nackten Tatsachen der drei Mordfälle skizzierte und mit dem letzten Mord begann, bis er schließlich wieder beim Mord an der jungen Frau ankam. Und wie er so die Informationen abspulte, die fast allen längst bekannt waren, spürte D’Agosta, dass die Ungeduld unter den Anwesenden allmählich zunahm. Und gleich kam er an die Reihe.
Schließlich hielt Singleton inne. »Ich übergebe jetzt das Wort an Lieutenant D’Agosta, Commander der Detective Squad, der Ihnen genauere Angaben machen und Ihre Fragen zu den Mordfällen, zu den möglichen Zusammenhängen zwischen diesen und einigen der Spuren, denen sein Team bislang folgt, beantworten wird.«
Singleton verließ seinen Platz. D’Agosta betrat das Podium und versuchte, Würde auszustrahlen, so wie es dem Bürgermeister und Singleton gelungen war. Als er einen Blick auf die versammelten Presseleute warf, merkte er, dass ihm die Augen in dem grellen Licht tränten. Er blickte auf seine Notizen, aber die erschienen ihm wie eine wabernde graue Masse. Aus Erfahrung wusste er, dass er das hier nicht gut konnte. Er hatte versucht, Singleton das zu erklären und sich zu drücken, doch der Captain hatte wenig Mitgefühl gezeigt. »Gehen Sie da raus und legen Sie los. Und wenn Sie meinen Rat wollen – versuchen Sie, so langweilig wie möglich zu sein. Geben Sie denen nur die vorliegenden Informationen. Und lassen Sie um Gottes willen nicht zu, dass einer von diesen Kerlen die Kontrolle im Raum übernimmt. Sie sind das Alpha-Männchen da drin – vergessen Sie das nicht.« Ein mannhafter Schlag auf den Rücken hatte diesen Ratschlag unterstrichen.
Und da saß D’Agosta nun. »Vielen Dank, Captain Singleton. Und vielen Dank, Bürgermeister DeLillo. Die Mordkommission verfolgt im Moment mehrere vielversprechende Ermittlungsspuren.« Er machte eine dramatische Pause. »Ich wünschte, ich könnte ins Detail gehen, aber das meiste, was wir bislang wissen, fällt in die Kategorie ›nicht-öffentliche Informationen‹, was unsere Behörde folgendermaßen definiert. Erstens: Informationen, die ein unzumutbares Risiko für die persönliche Sicherheit von Angehörigen der Polizeikräfte, der Opfer oder beiden darstellen. Zweitens: Informationen, die möglicherweise die polizeilichen Ermittlungen behindern. Und drittens: Informationen, welche die Rechte eines Angeklagten oder die Ermittlungen beziehungsweise die Verfolgung einer Straftat nachteilig beeinflussen.«
Er hielt inne und hörte etwas, was sich wie ein kollektives Stöhnen der Journaille anhörte. Nun, Singleton hatte ihm geraten, seine Zuhörer zu langweilen.