Lopez hörte das leise, metallische Klicken einer Schrotflinte mit Kipplaufverschluss, schrie »Waffe!« und warf sich auf den Boden, unmittelbar bevor eine riesige Ladung ein Loch in die Tür riss. Aber Hammer war nicht so schnell und bekam die Ladung mitten in den Bauch, deren Wucht ihn nach hinten gegen die gegenüberliegende Wand schleuderte, wo er zusammensackte.
Lopez kroch auf allen vieren zu seinem Partner, als er einen zweiten Schuss hörte, der über ihm in die Wand einschlug. Er packte Hammer unter den Achseln und schleifte ihn in Sicherheit, raus aus der Schusslinie, um die Ecke auf den Treppenabsatz, während er gleichzeitig sein Funkgerät aus dem Holster zog.
»Beamter angeschossen!«, schrie er. »Es sind Schüsse gefallen, Beamter angeschossen.«
»O Scheiße«, sagte Hammer keuchend und presste die Hände auf die Wunde.
Das Blut quoll nur so zwischen seinen Fingern hervor. Lopez beugte sich über seinen am Boden liegenden Partner, zückte die Glock und zielte auf die Tür. Fast hätte er abgedrückt, hielt dann aber inne. Blind durch eine geschlossene Tür in eine unbekannte Wohnung zu schießen stellte eine Verletzung der Einsatzregeln der Polizei dar. Aber wenn das Arschloch die Tür aufmachte oder noch mal schoss, würde er ihn abknallen.
Doch es passierte nichts mehr. Auf der anderen Seite der beiden dunklen, ausgefransten Löcher in der Tür war es still.
Er hörte schon die Sirenen.
»O verdammt«, stöhnte Hammer und hielt sich den Unterleib, während sein weißes Hemd sich karmesinrot färbte.
»Halt durch, Partner«, sagte Lopez und drückte seine Hand auf die Wunde. »Halt einfach durch. Hilfe kommt.«
23
Vincent D’Agosta stand an der Ecke Ninth Avenue und blickte die Fourteenth Street entlang. Dort ging es zu wie im Irrenhaus. Das gesamte Viertel war komplett abgesperrt, das Zielgebäude evakuiert worden. Sie hatten die Notfalleinheiten und zwei Verhandlungsexperten vor Ort, einen gepanzerten Hubsteiger, einen Roboter, eine Hundestaffel und einen Haufen Scharfschützen; über ihnen kreiste ein Hubschrauber. Hinter den Polizeiabsperrungen hatte sich praktisch die komplette Medienmeute der Stadt versammelt – Netzwerkfernsehen, Kabelfernsehen, Printmedien, Blogger, alle waren da. Der Schütze verschanzte sich immer noch in der Wohnung. Bisher hatten sie ihm keinen Piep entlocken können, und gezeigt hatte er sich auch noch nicht. Der gepanzerte Hubsteiger manövrierte sich in Stellung, sodass man von dort freie Schussbahn haben würde. Vier Männer befanden sich auf dem Dach, legten Kevlarmatten aus und schlugen Löcher hinein, durch die sie Überwachungskameras in das Gebäude runterlassen konnten.
D’Agosta koordinierte den Einsatz per Funk, choreografierte ihn wie ein Ballett. Es gab mehrere Optionen, von denen jede die Pattsituation beenden könnte. Einerseits wollte er Lasher lebend fassen. Er war im Mordfall Cantucci von einer Person von Interesse zum Tatverdächtigen Nummer eins aufgestiegen, und tot würde er sehr viel weniger nützlich sein. Andererseits hatte der Dreckskerl einen Beamten angeschossen. Der primitive Teil in D’Agostas Hirn wollte ihn ausschalten. Hammer wurde derzeit operiert, war schwer verletzt, würde sogar möglicherweise nicht durchkommen.
Was für ein Desaster. Singleton hatte seine »Fortschritte« bekommen, das schon. Aber wer hätte gedacht, dass ein vergleichsweise routinemäßiger Auftritt zu so etwas ausarten könnte? Was für einen Scheiß er sich jetzt wohl anhören musste; doch D’Agosta schüttelte diese Gedanken rasch wieder ab.
Die Sonne war bereits vor Stunden untergegangen, vom Hudson her fegte ein eisiger Wind die Fourteenth Street entlang, die Temperatur war im Keller. Knisternd meldete sich sein Funkgerät. Curry. »Der Verhandler hat Kontakt. Kanal zweiundvierzig.«
D’Agosta stellte sein Headset auf Kanal 42 und hörte zu. Der Verhandler, der hinter einem kugelsicheren Schutzschild stand, redete mit dem Schützen durch die Tür. Es war schwer zu verstehen, was Lasher sagte, aber während die Verhandlung weiterging, kam D’Agosta ziemlich schnell dahinter, dass Lasher einer dieser Antiregierungstypen war, die glaubten, dass 9/11 von der Familie Bush verübt worden sei, dass das Massaker von Newton »fake news« sei und dass die US-Zentralbank und eine Gruppe internationaler Banker im Verborgenen die Welt regierten und sich verschworen hätten, ihm seine Knarren wegzunehmen. Aus diesen Gründen anerkannte er die Autorität der Polizei nicht.