»Doch, werden wir. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, arbeiten in meinem Unternehmen viele sehr gute Programmierer, und die haben einen ganz famosen digitalen Diebstahl begangen, der auf Sie zurückverweist. Sie haben eine Woche Zeit, um eine positive Story über Grace Ozmian zu veröffentlichen. Wir werden Ihnen sogar ein ›Factsheet‹ zur Verfügung stellen, das alle notwendigen Informationen enthält, um Ihnen Ihre Arbeit zu erleichtern. Wenn Sie das tun – und wenn Sie versprechen, danach nicht mehr über sie zu schreiben, nie mehr –, überweisen wir das Geld zurück und löschen die finanzielle Spur.«
»Und wenn ich das nicht tue?«, fragte Harriman mit erstickter Stimme.
»Dann lassen wir das Geld einfach dort liegen, wo es sich befindet. Schon bald wird auffallen, dass Geld fehlt, und dann wird eine ziemlich listige Untersuchung die Spur finden und den Inhaber jenes Nummernkontos aufdecken. Sollten die Ermittler irgendwelche Probleme bekommen, werden wir ihnen natürlich nur allzu gerne ein wenig anonyme Hilfe leisten.«
»Das …« Harriman hielt inne, um durchzuatmen. »Das ist Erpressung.«
»Und Sie verfügen weder über die Kenntnisse noch die Mittel, diese ungeschehen zu machen. Die Uhr tickt. In diesem Moment wird auffallen, dass das Geld fehlt. Am besten, Sie beeilen sich.«
Ozmian verlagerte seine Haltung in dem Stuhl. »Wie Ms. Alves-Vettoretto sagt, es ist wirklich ganz einfach. Sie müssen nur eines tun: unseren beiden Bedingungen zustimmen – von denen keine schwer zu erfüllen ist. Wenn Sie das tun, sind alle zufrieden, und keiner geht ins Gefängnis.«
Harriman fasste es kaum, was er da hörte. Vor fünf Minuten noch war er ein umschwärmter Reporter gewesen, jetzt wurde ihm finanzielle Untreue in die Schuhe geschoben, und das zulasten seiner verstorbenen Freundin. Und er saß da, kaum fähig, sich zu bewegen, während vor seinem inneren Auge ein Dutzend Szenarien – keines davon gut – erschien. Schaudernd wurde ihm klar, dass er keine Wahl hatte.
Er schwieg und nickte.
»Ausgezeichnet«, sagte Ozmian, wobei sich in seinen Gesichtszügen noch immer keinerlei Ausdruck zeigte. »Ms. Alves-Vettoretto hier wird Ihnen die wichtigsten Stichpunkte für Ihren Artikel über Grace geben.«
Die Frau auf Harrimans anderer Seite griff wieder in ihre Aktentasche, zog ein Blatt Papier hervor und reichte es ihm.
»Und damit wäre unser Geschäft besiegelt.« Ozmian stand auf und ging zurück hinter seinen Schreibtisch. »Ms. Alves-Vettoretto, würden Sie bitte Mr. Harriman zum Aufzug begleiten?«
Zwei Stunden später – er war zurück in seiner Wohnung – lag Harriman auf dem Wohnzimmersofa, von dem er sich nicht fortbewegt hatte, seit er aus dem DigiFlood-Tower zurückgekehrt war und online nachgeprüft und entdeckt hatte, dass das Konto tatsächlich leer war. Seine wunderschöne Karriere stand auf dem Spiel, sie könnte einem gewieften, schändlichen Erpressungsversuch zum Opfer fallen. Und seine wunderschöne Theorie lag auch in Trümmern. Von beiden Katastrophen war erstere die größere. So sehr er auch die Idee hasste, der Story seines Lebens verlustig zu gehen, die Schande hasste er noch mehr – die Scham und die Schmach, wenn alle Leute glaubten, er hätte Geld aus dem Gedenkfonds für seine tote Freundin veruntreut. Die Demütigung und der Skandal wären fast schlimmer als die lange Haftstrafe, die mit Sicherheit darauf folgen würde.
Aber was sollte er machen? Wie sollte er diese verlogene Grace-Ozmian-Story, auf die ihr Vater beharrte, diese jähe Kehrtwendung glaubhaft aussehen lassen? Möglicherweise konnte er ja irgendeine Herzblatt-Story schreiben, auf das Gute in Grace’ Leben hinweisen und versuchen, sie als Versuch eines löbliches Ausgleichs nach all der schlechten Presse zu positionieren, wobei die Moral der Geschichte wäre, dass selbst die bösesten Schurken eine gute Seite hatten. Aber das würde bei seinem Chefredakteur bei der
Je länger Bryce Harriman darüber nachdachte, desto mehr versuchte er, der frischgebackene Star, der Liebling der Zeitungen und der Ätherwellen, sich wieder zu behaupten.