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Eine Sonderstellung nimmt im Sprachgitter-Band der abschließende Zyklus Engführung ein, der nicht nummeriert ist und schon dadurch aus dem Kontext der anderen fünf Zyklen herausragt. Nur ein Gedicht Celans wurde bisher mit der Relevanz eines ganzen Gedichtzyklus so deutlich hervorgehoben — die Todesfuge aus dem Band Mohn und Gedächtnis (1952). Engführung ist das längste und umfangreichste Gedicht Celans, das aus neun Teilen besteht, die der Dichter Partien nennt. Einzelne Partien sind durch Asterisken und Leerstellen voneinander abgesetzt, aber durch die kanonartige Technik der Verflechtung ihrer Themeneinsätze auch eng miteinander verbunden. Gleich der Rahmenstruktur des Sprachgitter-Bandes, hat auch die Engführung eine kreisförmige Strukturierung: die Anfangszeilen „Verbracht ins / Gelände / mit der untrüglicher Spur” werden am Ende des Gedichts fast wörtlich wiederholt. Wie seinerzeit schon Marlies Janz festgestellt hat, führt das Gedicht zwei historische Themen zusammen: die Ereignisse in den faschistischen Vernichtungslagern während des Zweiten Weltkrieges und die Abwürfe der ersten beiden Atombomben auf japanische Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945[13]. Diese beiden Themen korrespondieren in Engführung mit dem den Gedichtband Sprachgitter durchdringenden Thema des schmerzhaften Sprachverlusts, des poetischen Verstummens.

Den Schlüssel zum tieferen Verständnis eines der wichtigsten Ausgangspunkte seiner Engführung gab Celan selbst im Brief an seinen Czernowitzer Jugendfreund Erich Einhorn vom 10. August 1962, in dem er die von Diogenes Laertius überlieferte Worte des altgriechischen Philosophen Demokrit anführt:

In meinem letzten Gedichtband (Sprachgitter) findest Du ein Gedicht, Engführung, das die Verheerungen der Atombombe evoziert. An einer zentralen Stelle steht, fragmentarisch, dieses Wort von Demokrit: „Es gibt nichts als die Atome und den leeren Raum; alles andere ist Meinung”. Ich brauche nicht erst hervorzuheben, dass das Gedicht um dieser Meinung — um der Menschen willen, also gegen alle Leere und Atomisierung geschrieben ist.[14]

In einem gewissen Sinne kann man Celans Gedicht Engführung als ein Pendant zu seiner Todesfuge betrachten. Manche Celan-Forscher behaupten, es sei sogar ein Widerruf der Todesfuge. Der Dichter selbst hat diese Deutung in einem Gespräch mit Hans Mayer heftig dementiert, indem er ihm entgegnete: „Ich nehme nie ein Gedicht zurück, lieber Hans Mayer!”[15]. Bei all den thematischen (Holocaust) und gattungsmusikalischen (Fuge) Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Gedichten existieren hier jedoch gravierende Unterschiede, die durch radikale Änderung ästhetischer und poetologischer Prinzipien des Dichters in den Jahren zwischen ihrer Entstehung verursacht sind. Von diesem Standpunkt aus bedeutet die Engführung keine Zurücknahme, sondern eine Weiterentwicklung der Todesfuge, ein neues Stadium poetischer Reflexion. Als fugenartige Konstruktion kondensiert die Engführung all seine Themen, Bilder, Form- und Sprachelemente bis zur kristallinen Dichte, „führt” sie gleichsam durch die Enge, infolgedessen nur noch ein Substrat, ein bloßes Gerüst der Wirklichkeit bleibt. Diese Dichte entsteht nicht zuletzt auch dank den zahlreichen intertextuellen Bezügen, die in der Engführung als Reminiszenzen, Anspielungen, implizite und explizite Zitate verschlüsselt sind und die erst nach der entsprechenden Re-Codierung durch den Leser zutage treten (so z.B. Bezüge zur Bibel, zu den altgriechischen Philosophen Demokrit und Empedokles, zu Dante, Hölderlin, Jean Paul, Nietzsche, Franz Rosenzweig, zu dem französischen Dokumentarfilm von Alain Resnais Nacht und Nebel, dessen von Jean Cayrol stammenden Begleittext Celan ins Deutsche übersetzt hat usw.). Diese poetische Verfahrensweise charakterisiert aber nicht nur die Engführung, sondern den ganzen Gedichtband Sprachgitter, der durch seine thematische Palette und kompositorische Eigenschaften das neue Prinzip von Celans Schaffen verkörpert.

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