Der Abschied von meinen Verwandten aus Stuttgart, die mich noch am 5. April in Eßlingen besucht hatten, war mir schwer geworden. Nicht ohne Aengstlichkeit sah ich auf meinen geschwächten Körper, der einen neuen Krankheits-Anfall erlitten hatte, und mit dem ich nun neuen Strapatzen entgegen gehen sollte. Von Winnenden an ward ich dem Regiment einige Tage lang in einer Chaise nachgeführt, und erst den 23. April fieng ich wieder an, Dienste zu thun. Die Einwohner riefen uns überall ein Lebewohl nach, und bedauerten oft den aus Rußland vor Kurzem mühselig Entronnenen, der noch halb krank neuerdings den mühsamen Pfad des Krieges betreten mußte. Gleichwohl darf ich wohl sagen, daß ich — meiner körperlichen Schwäche ungeachtet — nicht ungerne meinem Berufe folgte, und von dem Eintritte des Frühlings das // S. 109//{693}
Beste für meine Gesundheit hoffte. Bey Sulzbach gaben uns die Einwohner auf freyem Felde einZweytes Capitel.
Am 17. April brachen wir aus der Cantonnirung bey Rothenburg auf. Es waren zwey Cavallerie- und drey Infanterie-Regimenter, die unter der Anführung des Generallieutenants
Mergentheim gegen Würzburg hin. In Mergentheim kamen wir mit den übrigen Regimentern zusammen, und nahmen vom Vaterlande Abschied. Am 20. giengen wir an der äusserst freundlich gelegenen Festung Marienberg vorbey, über den // S. 110// Mayn, durch die schöne Stadt Würzburg bis nach Rottendorf und Umgegend, wo wir Rasttag hielten. Von hier richtete sich unser Marsch gegen den Thüringer Wald hin. Ueber Lauringen, und an der Würzburgischen Festung Königshofen vorbey, gelangten wir am 25. nach Römhild, einem{695}
königlich sächsischen Städtchen mit einem alten Schloße. Tags darauf passirten wir Hildburghausen und Schleusingen, und am folgenden Tage giengen wir über den Thüringer Wald und bis Königssee. Am 29. hielten wir unsern lezten Rasttag in Heilsberg, und den umliegenden Orten, und an den folgenden Tagen sezten wir unseren Marsch fort über Rudolstadt, Jena, Camburg und Naumburg, bis in die Nähe von Lützen, wo wir am 3. May Abends eintrafen. Hier beginnt nun unser Feldzug, aber ehe ich davon spreche, will ich noch einen Blick zurückwerfen auf Land und Volk, das ich auf unserem Hieherzuge zu sehen Gelegenheit hatte.Derjenige Theil von Württemberg, in dem wir die vaterländischen Grenzen überschritten, gehört zu den schönsten Gegenden des Landes. Das Tauberthal ist bey Mergentheim höchst anmuthig, und mehrere Puncte gewähren eine sehr malerische Ansicht. Die Bewohner genießen keiner grosen Wohlhabenheit, theils, weil ihr HauptNahrungsZweig auf dem Weinbau beruht, und theils, weil Religion und Sitte sie nicht so sehr an Arbeitsamkeit und Genügsamkeit gewöhnt hat{696}
, als es in AltWürttemberg der // S. 111//{697} Fall ist.{698} Wenn man das Tauberthal verläßt, und die Heerstraße nach Würzburg verfolgt, so findet man die Landschaft minder reitzend, gleichwohl aber einzelne Gegenden, die wohl schön genannt zu werden verdienen, sobald sich aber bey der Festung Marienberg die Aussicht über Würzburg hin und in das Maynthal öffnet, wird man durch ein Gemälde überrascht, dem wohl wenige in Deutschland gleichen, und das vielleicht von keinem übertroffen wird. Die Stadt Würzburg selbst ist groß und wohl bevölkert, die Straßen sind freundlich, die Häuser gut gebaut. Das Schloß ist in der Nähe des Mayns herrlich gelegen. Jenseits Würzburg{699} wird das Land flach, und nirgends erblickt man mehr Weinbau.