»Da hast du gar nicht so Unrecht«, sagte ich, denn ich zitterte, obwohl ich meinen Umhang trug. Ich hatte zwar ein Musselinhemd unter meinem Überkleid an, doch es war dünn und zerschlissen, wunderbar geeignet für ein Sommerlager unter freiem Himmel, aber völlig unzureichend zur Abwehr der winterlichen Böen, die durch meinen Leinenrock wehten, als bestünde er aus Gazestoff.
»Du hattest gestern Abend einen wunderbaren Wollunterrock an, Sassenach. Was ist daraus geworden?«
»Frag mich lieber nicht«, riet ich ihm.
Jetzt fuhren seine Augenbrauen in die Höhe, doch bevor er weiter nachhaken konnte, erklang hinter uns ein Schrei.
»Germain!«
Ich drehte mich um und erblickte einen kleinen, blonden Kopf, dessen Haare im Gegenwind wehten, während sein Besitzer unterhalb der Felsen den Hang hinunterschoss. Der zweijährige Germain hatte die Tatsache, dass seine Mutter mit seiner neugeborenen Schwester beschäftigt war, dazu benutzt, ihrer Obhut zu entfliehen und einen Vorstoß zu der Formation der Soldaten zu unternehmen. Da er den Händen der Zuschauer immer wieder entwischte, raste er kopfüber den Abhang hinunter wie ein Stein und wurde dabei immer schneller.
»Fergus!«, schrie Marsali. Beim Klang seines Namens wandte sich Germains Vater gerade noch rechtzeitig von seiner Unterhaltung ab, um zu sehen, wie sein Sohn über einen Stein stolperte und kopfüber nach vorn flog. Seltsamerweise machte der Junge keinerlei Anstalten zum Selbstschutz, sondern stürzte elegant und kugelte sich wie ein Igel zusammen, als er mit der Schulter auf dem mit Gras bewachsenen Hang landete. Er rollte wie eine Kanonenkugel zwischen den Reihen der Soldaten hindurch, schoss über den Rand eines felsigen Überhangs hinweg und plumpste klatschend in den Bach.
Die Leute hielten hörbar die Luft an, und einige rannten bergab, um zu helfen, doch einer der Soldaten war schon zum Ufer geeilt. Er kniete sich hin, durchstieß die auf dem Wasser treibenden Kleider des Kindes mit der Spitze seines Bajonetts und zog das durchnässte Bündel ans Ufer.
Fergus rannte in die eisigen Untiefen hinein und streckte die Hände aus, um seinen triefenden Sohn in Empfang zu nehmen.
»
Der Soldat machte ein verblüfftes Gesicht, doch ich wusste nicht, ob dies an Fergus’ einzigartiger Dialektmischung lag oder am Anblick des glänzenden Hakens, den er an Stelle seiner fehlenden Linken trug.
»Schon gut, Sir«, sagte er mit einem schüchternen Lächeln. »Ich glaube, ihm ist nichts passiert.«
Brianna tauchte hinter einer Kiefer auf und trug Jemmy, der sechs Monate alt war, auf der einen Schulter. Sie bückte sich und hob die kleine Joan geschickt von Marsalis Arm.
»Komm, gib mir Joanie«, sagte sie. »Kümmere du dich um Germain.«
Jamie schwang sich den schweren Umhang von den Schultern und legte ihn Marsali an Stelle des Babys auf den Arm.
»Sag dem Soldaten, er soll an unser Feuer kommen«, sagte er zu ihr. »Wir bekommen doch noch einen Esser satt, oder, Sassenach?«
»Natürlich«, sagte ich und berichtigte hastig meine Kopfrechnungen. Achtzehn Eier, vier alte Brotlaibe zum Rösten – nein, einen sollte ich für die morgige Heimreise aufbewahren –, drei Dutzend Haferkekse, falls Jamie und Roger sie nicht gegessen hatten, ein halbes Glas Honig …
Ein reumütiges Lächeln erhellte Marsalis Gesicht und wurde von uns erwidert, dann war sie fort und hastete ihren durchnässten, zitternden Männern zu Hilfe.
Jamie blickte ihr mit einem resignierten Seufzer nach, während ihm der Wind in die weiten Hemdsärmel fuhr und sie unter gedämpftem Knattern aufblähte. Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog zum Schutz vor dem Wind den Kopf ein und lächelte mit einem Seitenblick zu mir herunter.
»Äh, nun ja, schätze, dann erfrieren wir wohl gemeinsam, Sassenach. Aber das macht mir nichts. Ich würde sowieso nicht ohne dich leben wollen.«
»Ha«, sagte ich gutmütig. »Du könntest nackt auf einer Eisscholle leben, Jamie Fraser, und würdest sie noch zum Schmelzen bringen. Was hast du mit deinem Rock und deinem Plaid gemacht?« Außer seinem Kilt und Hemd trug er nur Schuhe und Strümpfe, und seine hohen Wangenknochen waren vor Kälte genauso gerötet wie seine Ohrenspitzen. Doch als ich meine Hand wieder in seinen Ärmel schob, war er so warm wie eh und je.
»Frag mich lieber nicht«, sagte er grinsend. Er bedeckte meine Hand mit seiner breiten, schwieligen Handfläche. »Lass uns gehen; ich kann das Frühstück kaum erwarten.«
»Warte«, sagte ich und löste mich von ihm. Jemmy hatte keine Lust, seine Mutter mit dem Neuankömmling zu teilen, und heulte und wand sich protestierend, während sein kleines, rundes Gesicht unter der blauen Strickmütze vor Ärger rot anlief. Ich streckte den Arm aus und nahm ihn Brianna ab, und er strampelte und krähte in seinen Wickeltüchern herum.