Er hob die Hand und ließ mein Haar langsam fallen, so dass es mein Gesicht streifte, mir über die Lippen hauchte, mir weich und schwer über Hals und Schultern glitt und sich wie Federn auf die Ansätze meiner Brüste legte.
»
Ich lag auf ihm, bedeckte ihn, meine Haut, seine Knochen, und immer noch – immer noch! – jener glühende, leuchtende Punkt, der uns verband. Ich ließ mein Haar um uns beide fallen, und in der flackernden Höhle seiner Dunkelheit antwortete ich flüsternd.
»Bis wir beide zu Asche verbrennen.«
Kapitel 86
Träume sind Schäume
Roger war schlagartig wach, ohne dass ihm ein allmählicher Übergang über die Schläfrigkeit vergönnt gewesen wäre; sein Körper war bewegungsunfähig, doch sein Verstand hellwach, seine Ohren auf das Echo des Geräusches gerichtet, das ihn geweckt hatte. Er konnte sich nicht bewusst an Jemmys Jammern erinnern, doch es hallte in seinem inneren Ohr wider und erfüllte ihn mit jener Kombination aus Hoffnung und Resignation, die das Schicksal des Elternteils ist, der leichter wach wird.
Der Schlaf zerrte an ihm und zog ihn wieder unter die Oberfläche des Schlummers wie ein Zehn-Tonnen-Klotz, der an seinen Fuß gekettet war. Ein leises Rascheln war schuld daran, dass sein Kopf noch kurz über der Oberfläche blieb.
»
Roger hielt den Atem an und klammerte sich an den zerfransenden Saum des Schlafes, hütete die wertvollen Sekunden der Reglosigkeit wie einen Schatz. Dann erklang ein weiteres, leises Geräusch, und er war unverzüglich auf den Beinen.
»Brianna? Brianna, was ist los?« Das »r« in ihrem Namen flatterte kaum hörbar in seiner Kehle, doch ließ er sich davon nicht ablenken. Seine ganze Aufmerksamkeit galt ihr.
Sie stand an der Wiege, eine geisterhafte Säule in der Dunkelheit. Er berührte sie, packte sie an den Schultern. Sie hatte die Arme fest um den kleinen Jungen geschlungen, und sie zitterte vor Kälte und Angst.
Instinktiv zog er sie dicht an sich, und sie steckte ihn mit ihrer Kälte an. Er spürte, wie die Kühle sein Herz erfasste, und zwang sich, sie noch fester zu halten, nicht in die leere Wiege zu schauen.
»Was ist denn?«, flüsterte er. »Ist es Jemmy? Was ist denn … passiert?«
Ihr ganzer Körper erschauerte der Länge nach, und er spürte durch den dünnen Stoff ihres Hemdes, wie sie eine Gänsehaut bekam. Er spürte, wie ihm trotz der Wärme des Zimmers die Haare auf seinen Armen zu Berge standen.
»Nichts«, sagte sie. »Er hat nichts.« Ihre Stimme war belegt, doch sie hatte Recht; als Jemmy sich jetzt beim Aufwachen unangenehm zwischen seinen Eltern eingeklemmt wiederfand, jaulte er überrascht und entrüstet auf und fing an, wie ein Rührbesen mit Armen und Beinen zu rudern.
Sein kraftvolles Hämmern durchspülte Roger mit einer warmen Woge der Erleichterung und schwemmte die kalten Bilder aus seinem Kopf, die ihn bei Briannas Anblick erfüllt hatten. Unter leichten Schwierigkeiten entwand er Jemmy den Armen seiner Mutter und hievte ihn auf seine Schulter.
Er klopfte ihm beruhigend auf den kleinen Rücken – eine Beruhigung, die ihm selbst genauso wie Jemmy galt – und zischte leise zwischen den Zähnen hindurch. Jemmy, der sich von dieser vertrauten Prozedur trösten ließ, gähnte herzhaft, entspannte sich zu einem leblosen Gewicht und fing an, Roger im steigenden und sinkenden Tonfall einer entfernten Sirene ins Ohr zu summen.
»PapiiPapiiPapii …«
Brianna stand nach wie vor an der Wiege und hatte ihre leeren Arme jetzt um sich selbst geschlungen. Roger streckte seine freie Hand aus und strich ihr über das Haar, über die feste Schulter und zog sie dicht an sich.
»Schhh«, sagte er zu ihnen beiden. »Schhh, schhh. Jetzt ist alles gut, schhh.«
Sie legte die Arme um ihn, und er konnte die Nässe in ihrem Gesicht durch sein Leinenhemd spüren. Seine andere Schulter war schon von Jemmys schläfriger, verschwitzter Wärme durchfeuchtet.
»Komm wieder ins Bett«, sagte er leise. »Komm unter die Decke; es ist … kalt hier draußen.« Das stimmte nicht; die Luft in der Hütte war warm. Dennoch kam sie mit.