»Bis jetzt ja.« Sie klang ein wenig skeptisch. Dennoch war sie jetzt, nachdem sie ihm den Traum erzählt hatte, von seinem Schrecken befreit; ihr Körper gab auch den letzten Widerstand auf, und sie atmete tief und entspannt; er konnte spüren, wie sich ihr Brustkorb unter seinem Arm hob und senkte.
»Und das bleibt auch so. Jetzt mach dir keine Sorgen: Jemmy ist in Sicherheit. Ich bin hier; ich beschütze euch beide.« Er legte sanft den Arm um sie und umfasste Jemmys fetten, kleinen, von seiner Leinenwindel gewärmten Hintern. Nachdem seine körperlichen Bedürfnisse gestillt worden waren, war Jemmy in eine friedliche Bewusstlosigkeit gesunken, deren Tiefe ansteckend war. Brianna seufzte. Sie legte ihre Hand auf Rogers und drückte sie leicht.
»Auf dem Schreibtisch lagen Bücher«, sagte sie und fing an, sich schläfrig anzuhören. »Auf Papas Schreibtisch. Ich konnte sehen, dass er gearbeitet hatte – überall lagen aufgeschlagene Bücher und verstreute Papiere. Mitten auf dem Schreibtisch lag ein beschriebenes Blatt Papier; ich wollte es lesen, um zu sehen, woran er gearbeitet hatte – aber ich konnte mich nicht aufhalten.«
»Mm-hm.«
Brianna erschauerte leicht, und als sie sich bewegte, raschelten die Maisblätter in der Matratze, eine winzige, seismische Störung in ihrem kleinen, warmen Universum. Sie verkrampfte sich, um gegen den Schlaf anzukämpfen, dann entspannte sie sich, und seine Hand umfasste ihre Hand.
Roger lag wach und sah zu, wie das Fensterrechteck langsam heller wurde, während er seine Familie in den Armen geborgen hielt.
Der Himmel war bedeckt und der Morgen kühl, aber die Luft war sehr feucht; Roger konnte den Schweißfilm auf seinem Körper spüren wie die Haut auf gekochter Milch. Es war erst eine Stunde nach Tagesanbruch; sie konnten das Haus noch sehen, und schon kribbelte seine Kopfhaut, und schwere Tropfen sammelten sich in seinem Nacken unter dem Zopf.
Er dehnte resigniert die Schultern, und das erste Rinnsal kroch ihm kitzelnd über die Wirbelsäule. Immerhin linderte das Schwitzen den Muskelkater; seine Arme und Schultern waren heute Morgen so steif gewesen, dass Brianna ihm beim Ankleiden helfen musste. Sie hatte ihm das Hemd über den Kopf gezogen und ihm mit geschickten Fingern den Hosenlatz zugeknöpft.
Er lächelte innerlich bei dem Gedanken daran, was diese Finger sonst noch getan hatten. Es hatte ihn vorübergehend von seinen steifen Muskeln abgelenkt und die beunruhigenden Traumerinnerungen verbannt. Er reckte sich stöhnend und spürte dabei, wie seine Muskeln an den empfindlichen Sehnen zerrten. Das saubere Leinen klebte ihm bereits an Brust und Rücken.
Jamie war vor ihm auf dem Pfad, und dort, wo ihm der Riemen der Wasserflasche quer über den Rücken hing, bildete sich deutlich sichtbar eine feuchte Stelle. Roger nahm leicht getröstet zur Kenntnis, dass auch sein Schwiegervater sich heute Morgen nicht mit seiner üblichen, panthergleichen Eleganz bewegte. Er wusste, dass der Schotte auch nur ein Mensch war, doch es war beruhigend, diese Tatsache dann und wann bestätigt zu bekommen.
»Meinst du, das Wetter hält sich?«, fragte Roger, um überhaupt irgendetwas zu sagen. Jamie war nie besonders redselig, aber heute Morgen schien er ungewöhnlich still zu sein und hatte seit seinem »Aye, Morgen« als Erwiderung auf Rogers Begrüßung kaum etwas gesagt. Vielleicht lag es an dem grauen Tag, der mit Regen drohte – oder ihn versprach.
Der Himmel wölbte sich tief und stumpf über ihnen wie die Innenseite einer Zinnschale. Ein Nachmittag in der Hütte, wenn der Regen gegen die Ölhautfenster hämmerte und Jemmy sich friedlich zu einem Nickerchen zusammengerollt hatte, während seine Mutter sich ihres Hemdes entledigte und im sanften, grauen Licht zu ihm ins Bett kam … aye, nun ja, manche Arten, ins Schwitzen zu kommen, waren einfach besser als andere.
Jamie blieb stehen und spähte zum drückenden Himmel hinauf. Er schloss seine rechte Hand mühsam zu einer Faust, dann öffnete er sie langsam wieder. Sein steifer Ringfinger erschwerte ihm Kleinarbeiten wie das Schreiben, doch dafür hatte er einen zweifelhaften Vorteil; seine geschwollenen Gelenke signalisierten Regen so verlässlich wie ein Barometer.
Jamie wackelte versuchsweise mit dem Finger und lächelte Roger schwach zu.
»Nur ein leichtes Ziehen«, sagte er. »Kein Regen vor Anbruch der Dunkelheit.« Er reckte sich und entspannte zur Vorbereitung seinen Rücken, dann seufzte er. »Na dann los, aye?«
Roger sah noch einmal zurück; Haus und Blockhütte waren verschwunden. Er warf einen stirnrunzelnden Blick auf Jamies Rücken und debattierte mit sich selbst. Bis zu dem neuen Feld war es fast eine halbe Meile; reichlich Zeit für ein Gespräch. Aber nicht die richtige Zeit, noch nicht. Es war eine Angelegenheit, die er unter vier Augen und in Ruhe ansprechen musste – also später, wenn sie Mittagspause machten.