Doch er öffnete die Augen und lächelte schwach. Roger hielt ihm einen Becher mit Wasser hin; Jamie nickte und griff umständlich danach. Sein Bein war unterhalb des Knies grotesk geschwollen und beinahe zweimal so dick wie sonst. Die Haut hatte unregelmäßige, dunkelrote Flecken, als hätte ein Sukkubus seinen hungrigen Mund auf das Bein gepresst, um dann unbefriedigt weiterzuziehen.
Roger fragte sich beklommen, ob es möglich war, dass er doch Unrecht hatte.
Er war fest davon überzeugt gewesen, dass sich die Vergangenheit nicht ändern ließ; ergo standen der Zeitpunkt und die Art und Weise von Frasers Tod fest – etwa vier Jahre später. Doch wenn diese Gewissheit nicht wäre, dachte er, würde ihm das Aussehen des Mannes ziemliche Sorgen bereiten. Wie sicher war er sich denn schließlich?
»Es könnte doch sein, dass du Unrecht hast.« Jamie hatte den Becher abgesetzt und betrachtete ihn mit festem, blauem Blick.
»In welcher Hinsicht?«, fragte er und erschrak, weil er seinen Gedanken laut ausgesprochen hörte. Hatte er vor sich hin gemurmelt, ohne es zu realisieren?
»Was die Veränderungen angeht. Du hast einmal gesagt, du glaubst, man kann die Geschichte nicht ändern. Aber was ist, wenn du Unrecht hast?«
Roger beugte sich vor, um das Feuer zu schüren.
»Ich habe nicht Unrecht«, sagte er bestimmt, genauso sehr zu sich selbst wie zu Fraser. »Denk doch einmal nach, Mann. Du und Claire – ihr habt doch versucht, Charles Stuart aufzuhalten, das zu ändern, was er getan hat –, und ihr konntet es nicht. Es geht nicht.«
»Das stimmt nicht ganz«, widersprach Fraser. Er lehnte sich zurück, die Augen zum Schutz vor dem Leuchten des Feuers halb geschlossen.
»Was stimmt nicht?«
»Es ist wahr, dass es uns nicht gelungen ist, den Aufstand zu verhindern – aber das hing ja nicht nur von uns und von ihm ab; es hatten noch eine ganze Menge anderer Leute damit zu tun. Die Clanshäuptlinge, die ihm gefolgt sind, die verdammten Iren, die ihm Honig ums Maul geschmiert haben – sogar Louis; er und sein Gold.« Er winkte mit einer Handbewegung ab. »Aber darum geht es hier nicht. Du hast gesagt, Claire und ich konnten ihn nicht aufhalten – und das stimmt, wir konnten den Beginn nicht verhindern. Aber wir hätten das Ende verhindern können.«
»Du meinst Culloden?« Roger starrte ins Feuer und erinnerte sich dumpf an jenen längst vergangenen Tag, an dem Claire ihm und Brianna zum ersten Mal von den Steinen erzählt hatte – und von Jamie Fraser. Ja, sie hatte von einer letzten Chance gesprochen – der Chance, jenes endgültige Gemetzel der Clans zu verhindern …
Er blickte zu Fraser auf.
»Durch den Mord an Charles Stuart?«
»Aye. Wenn wir es getan hätten – aber wir konnten uns beide nicht dazu durchringen.« Seine Augen waren jetzt fast ganz geschlossen, doch er wandte den Kopf unruhig hin und her und fühlte sich sichtlich unwohl. »Seitdem habe ich mich oft gefragt, ob das nun anständig von uns war – oder feige.«
»Oder vielleicht etwas anderes«, sagte Roger. »Das kannst du doch nicht wissen. Ich wette, es wäre etwas dazwischengekommen, wenn Claire versucht hätte, ihn zu vergiften; das Essen wäre verschüttet worden, ein Hund hätte es gefressen, es wäre jemand anders gestorben – es hätte nichts geändert!«
Frasers Augen öffneten sich langsam.
»Du meinst also, es ist alles vorbestimmt, ja? Der Mensch hat überhaupt keine freie Wahl?« Er rieb sich mit dem Handrücken über den Mund. »Und als du dich entschlossen hast, um Briannas willen zurückzukommen, und dann noch einmal, für sie und das Kind – da war es gar nicht deine Wahl, aye? Es war dir bestimmt?«
»Ich –« Roger hielt inne, die Hände auf den Oberschenkeln zu Fäusten geballt. Der Kielwassergeruch der
»Aye, nun ja«, sagte Fraser nachsichtig. »Möglich, dass es der letzte Zeitpunkt ist, der sich für mich ergibt.« Bevor Roger protestieren konnte, fuhr er fort. »Wenn es keine freie Entscheidung gibt – dann gibt es auch weder Sünde noch Erlösung, aye?«
»Himmel«, brummte Roger und schob sich das Haar aus der Stirn. »Da geht man mit Lederstrumpf auf die Jagd und landet mit Augustinus von Hippo unter einem Baum!«
Jamie ignorierte ihn und konzentrierte sich auf seinen Gedankengang.
»Wir haben uns entschieden – Claire und ich. Wir konnten keinen Mord begehen. Wir waren nicht in der Lage, das Blut eines Menschen zu vergießen, aber lastet damit das Blut von Culloden auf uns? Wir wollten keine Sünde begehen – aber holt uns die Sünde dennoch ein?«
»Natürlich nicht.« Roger stand rastlos auf und schürte im Stehen das Feuer. »Was in Culloden geschehen ist – es war nicht eure Schuld, wie auch? All die Männer, die daran beteiligt waren – Murray, Cumberland, die Clanshäuptlinge … es war nicht die Tat eines Einzelnen!«