»Also glaubst du, dass alles vorher bestimmt ist? Dass wir von Geburt an verdammt oder erlöst sind und nichts und niemand das ändern kann? Und du willst ein Priestersohn sein!« Fraser gluckste trocken.
»Ja«, sagte Roger, dem zugleich beklommen und unerklärlich wütend zumute war. »Ich meine, nein, das glaube ich nicht. Es ist nur … na ja, wenn etwas schon auf eine Weise geschehen ist, wie soll es dann anders werden?«
»Du bist derjenige, der glaubt, dass es geschehen ist«, wies Fraser ihn zurecht.
»Ich glaube es nicht, ich weiß es!«
»Mmpfm. Aye, weil du es von der anderen Seite siehst; es liegt hinter dir. Also meinst du, du warst nicht in der Lage, etwas zu ändern – aber ich hätte es gekonnt, weil es noch vor mir lag?«
Roger rieb sich fest mit der Hand durch das Gesicht.
»Das ergibt doch –«, begann er und hielt dann inne. Wie konnte er sagen, dass es keinen Sinn ergab? Manchmal glaubte er, dass nichts auf der Welt noch einen Sinn ergab.
»Vielleicht«, sagte er erschöpft. »Weiß der Himmel; ich weiß es nicht.«
»Aye. Nun, ich nehme an, wir werden es bald herausfinden.«
Roger sah ihn scharf an, denn er hörte einen merkwürdigen Unterton in seiner Stimme.
»Was meinst du damit?«
»Du glaubst zu wissen, dass ich in drei Jahren gestorben bin«, sagte Fraser ruhig. »Wenn ich heute Nacht sterbe, bist du im Unrecht, aye? Das, wovon du glaubst, dass es geschehen ist, wird nicht geschehen sein – also kann man die Vergangenheit doch ändern, aye?«
»Du wirst nicht sterben!«, fuhr Roger ihn an. Er funkelte Fraser an und beschwor ihn, ihm ja nicht zu widersprechen.
»Es freut mich, das zu hören«, sagte Fraser ausgesprochen trocken. »Aber ich glaube, ich trinke jetzt einen Schluck Whisky. Zieh mir den Korken heraus, aye? Meine Finger können ihn nicht packen.«
Auch Rogers Hände waren alles andere als ruhig. Vielleicht lag es ja nur an Frasers Fieberhitze, dass sich seine eigene Haut so kalt anfühlte, als er jetzt seinem Schwiegervater die Flasche zum Trinken hinhielt. Er bezweifelte, dass Whisky bei Schlangenbissen empfehlenswert war, aber das spielte jetzt wahrscheinlich keine große Rolle mehr.
»Leg dich hin«, sagte er schroff, als Jamie fertig war. »Ich hole noch etwas Holz.«
Er konnte unmöglich still sitzen; es war reichlich Holz da, und doch durchstreifte er die Dunkelheit und hielt sich dabei knapp in Sichtweite des lodernden Feuers.
Er hatte schon viele Nächte wie diese erlebt; allein unter einem Himmel, der so weit war, dass ihm schwindelig wurde, wenn er bis auf die Knochen durchgefroren aufblickte, sich in Bewegung hielt, um warm zu bleiben. Nächte, in denen er um eine Entscheidung gerungen hatte, zu unruhig, um in einer gemütlichen Laubhöhle zu liegen, zu gequält zum Schlafen.
Die Entscheidung hatte auf der Hand gelegen, doch sie war nicht einfach zu fällen gewesen: auf der einen Seite Brianna und alles, was sie mit sich brachte; Liebe und Gefahr, Zweifel und Angst. Und auf der anderen Seite Gewissheit. Das Wissen, wer und was er war – eine Gewissheit, die er aufgegeben hatte, um der Frau willen, die die seine war … und des Kindes, das vielleicht das seine war.
Er hatte selbst gewählt. Verdammt, er hatte selbst gewählt! Nichts und niemand hatte ihn gezwungen; er hatte seine Wahl allein getroffen. Und wenn dies bedeutete, dass er sich von Anfang an neu erschuf, dann hatte er auch diesen Entschluss selbst gefasst! Und er hatte sich auch dazu entschlossen, Morag zu küssen. Bei diesem Gedanken verzog sich sein Mund; von den Konsequenzen dieser winzigen Handlung hatte er sich erst recht keine Vorstellung gemacht.
Ein leises Echo regte sich in seinem Kopf, eine leise Stimme weit hinten im Dunkel seines Gedächtnisses.
»…
Wer hatte das geschrieben?, fragte er sich. Montaigne? Locke? Einer von den verflixten Aufklärungsheinis mit ihren fixen Ideen vom Schicksal und dem Individuum? Er hätte zu gern gehört, was sie über Zeitreisen zu sagen hatten! Dann fiel ihm ein, wo er es gelesen hatte, und sein Rückenmark gefror.
»
»Aber sicher!«, sagte er laut und trotzig. »Sicher doch, und du konntest es auch nicht ändern, oder, Oma?«
Hinter ihm erklang ein Geräusch im Wald, und seine Nackenhaare sträubten sich, bevor er erkannte, was es war; es war kein Gelächter, wie er im ersten Moment gedacht hatte – nur der Schrei eines Panthers in der Ferne.