Es hätte nicht einfacher sein können; ich hob einfach den frischen Zwiebelwickel an und steckte die Maden einzeln in die entzündeten Wunden an Jamies Unterschenkel. Roger stellte sich hinter mich, um mir zuzusehen.
»Das sieht ja fast wieder wie ein Bein aus«, sagte er und klang überrascht. »Das hätte ich nie gedacht.«
Ich lächelte, sah mich aber nicht zu ihm um, weil ich mich auf meine Arbeit konzentrierte. »Blutegel sind sehr wirksam«, sagte ich. »Obwohl deine groben Messerschnitte wahrscheinlich auch geholfen haben – die Löcher, die du gemacht hast, waren so groß, dass der Eiter und die Flüssigkeit ablaufen konnten; das hat geholfen.«
Er hatte Recht; das Bein war zwar immer noch heiß und scheußlich verfärbt, doch die Schwellung war merklich zurückgegangen. Man konnte Jamies langes Schienbein und den zierlichen Bogen von Fuß und Knöchel wieder sehen. Ich machte mir zwar keine Illusionen, was die verbleibenden Gefahren anging – Entzündung, Wundbrand, Ablösung –, doch mir wurde trotzdem leichter ums Herz. Es war erkennbar Jamies Bein.
Ich packte eine weitere Made mit der Zange knapp hinter dem Kopf, vorsichtig, um sie nicht zu zerdrücken. Mit der schmalen Sonde, die ich in der anderen Hand hielt, hob ich den Wundrand an und schob das winzige sich windende Tier zielsicher in die kleine Tasche, die so entstand. Dabei versuchte ich zu ignorieren, wie unangenehm schwammig sich das Gewebe unter meinen Fingern anfühlte, und ich verdrängte die Erinnerung an Aaron Beardsleys Fuß.
»Fertig«, sagte ich kurz darauf und legte den Wickel vorsichtig wieder auf. Gekochte Zwiebeln und Knoblauch in Penizillin getränktem Musselin würden die Wunden feucht halten und sie drainieren. Wenn ich den Umschlag ungefähr stündlich erneuerte, so hoffte ich, würde die Wärme der Wickel auch die Durchblutung des Beins anregen. Und dann noch ein Honigverband, um das Eindringen weiterer Bakterien zu verhindern.
Die Konzentration allein hatte meine Hände ruhig gehalten. Jetzt war ich fertig, und mir blieb nichts mehr zu tun, als zu warten. Die Untertasse mit den feuchten Blättern klapperte auf der Arbeitsfläche, als ich sie abstellte.
Ich konnte mich nicht erinnern, je im Leben so müde gewesen zu sein.
Kapitel 93
Entscheidungen
Roger und Mr. Bug schafften Jamie in unser Schlafzimmer hinauf. Es wäre mir lieber gewesen, sein Bein nicht durch den Umzug aus dem Sprechzimmer durchzurütteln, doch er bestand darauf.
»Ich will nicht, dass du hier unten auf dem Boden schläfst, Sassenach«, sagte er, als ich protestierte. Er lächelte mich an. »Du solltest in deinem Bett schlafen – aber ich weiß, dass du mich nicht allein lassen wirst. Das heißt also, dass ich mit nach oben kommen muss, aye?«
Ich hätte ihm gern noch weiter widersprochen, doch ehrlich gesagt war ich so müde, dass ich mich auch nicht beschwert hätte, wenn er darauf bestanden hätte, dass wir beide in der Scheune schliefen.
Doch als er im Bett lag, kehrten meine Zweifel zurück.
»Ich stoße bestimmt an dein Bein«, sagte ich, während ich mein Kleid an einen der Kleiderhaken hängte. »Ich mache mir einfach ein Notlager hier am Feuer und –«
»Das wirst du nicht tun«, sagte er entschieden. »Du schläfst bei mir.« Er ließ sich mit geschlossenen Augen in die Kissen sinken, sein Haar ein weinrotes Gewirr auf dem weißen Leinen. Seine Haut wurde allmählich blasser; sie war nicht mehr ganz so rot. Andererseits war sie dort, wo sie nicht mehr durch die kleinen Blutergüsse verfärbt war, alarmierend fahl.
»Du würdest dich noch auf dem Totenbett mit mir streiten«, sagte ich schroff. »Du musst doch nicht
Er öffnete die Augen und warf mir einen dunkelblauen Blick zu.
»Sassenach«, sagte er leise.
»Was?«
»Ich hätte gern, dass du mich berührst … ohne mir weh zu tun. Nur einmal, bevor ich einschlafe. Würde dir das sehr viel ausmachen?«
Ich hielt inne und holte Luft. Furchtbar bestürzt begriff ich, dass er Recht hatte. Ich war so vollständig in der Hektik des Notfalls und der Sorge um seinen Zustand aufgegangen, dass alles, was ich an diesem Tag mit ihm gemacht hatte, entweder schmerzhaft oder lästig oder beides gewesen war. Marsali, Brianna, Roger, Jemmy – sie alle hatten ihn voll Zärtlichkeit berührt, ihm Mitgefühl und Trost gespendet.
Und ich – ich war so voller Schrecken über das gewesen, was möglicherweise geschehen würde, über das, was zu tun ich mich möglicherweise gezwungen sehen würde, dass ich mir keine Zeit für Zärtlichkeiten genommen, ihnen keinen Platz eingeräumt hatte. Ich wandte einen Moment den Kopf ab und kniff die Augen zu, bis die Tränen sich zurückzogen. Dann stand ich auf und ging zum Bett hinüber, beugte mich über ihn und küsste ihn ganz sanft.