Er senkte den Kopf, und sein leuchtendes Haar fiel ihm über die Wange.
»Ich habe nicht nur dich gemeint, Sassenach. Ich habe noch viel zu tun. Ich dachte – im ersten Moment –, dass es vielleicht gar nicht so ist; dass ihr alle zurechtkommt, mit Roger Mac und dem alten Arch, mit Joseph und den Beardsleys. Aber es ist ein Krieg im Verzug, und – zur Strafe für meine Sünden –«, er verzog leicht das Gesicht, »ich bin ein Anführer.«
In sein Schicksal ergeben, schüttelte er sacht den Kopf.
»Gott hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Er hat mir diese Pflicht auferlegt – und ich muss sie tun, koste es, was es wolle.«
»Was es wolle«, wiederholte ich beklommen, denn ich hörte noch etwas Härteres als Resignation in seiner Stimme. Er sah mich an, dann blickte er beinahe beiläufig zum Fußende des Bettes.
»Mein Bein ist zwar nicht viel schlimmer geworden«, sagte er ungerührt, »aber es hat sich auch nicht gebessert. Ich glaube, du musst es mir abnehmen.«
Ich saß in meinem Sprechzimmer, starrte aus dem Fenster und versuchte, mir eine andere Möglichkeit auszudenken. Es musste doch etwas anderes geben, was ich tun konnte. Es musste einfach.
Er hatte Recht; die roten Streifen waren noch da. Sie hatten sich zwar nicht weiter ausgedehnt, doch sie waren nach wie vor an Ort und Stelle, hässlich und bedrohlich. Die oralen und lokalen Penizillingaben hatten zwar offensichtlich eine Wirkung auf die Entzündung gehabt, aber nicht genug. Die Maden wurden wunderbar mit den kleinen Abszessen fertig, konnten aber der Ausbreitung der Bakterien in seinem Blut nichts anhaben.
Ich warf einen Blick auf die braune Glasflasche; sie war nur noch etwa zu einem Drittel gefüllt. Vielleicht half ihm der Inhalt ja, ein wenig länger die Stellung zu halten, doch es war nicht genug davon da – und oral verabreicht war die Wirkung wahrscheinlich nicht ausreichend –, um das tödliche Bakterium auszulöschen, das sich in seinem Blut vermehrte.
»Zehntausend bis zehn Millionen Milligramm«, murmelte ich vor mich hin. Die im klinischen Handbuch empfohlene Penizillindosis bei Bakterienbefall oder Blutvergiftung. Ich warf einen Blick auf Daniel Rawlings’ Notizbuch, dann wieder auf die Flasche. Ich hatte zwar keine Möglichkeit, die Konzentration meines Penizillins genau zu bestimmen, doch wahrscheinlich war es dennoch wirksamer als die von Rawlings empfohlene Verwendung von Schlangenwurz und Knoblauch – wenn ich auch befürchtete, dass es nicht wirksam genug war.
Die Amputationssäge lag noch auf der Arbeitsfläche, wo ich sie tags zuvor liegen gelassen hatte. Ich hatte ihm mein Wort gegeben – und er hatte es mir zurückgegeben.
Ich ballte die Hände zu Fäusten, und das Gefühl unaussprechlicher Frustration, das mich überkam, war so stark, dass es selbst meine Verzweiflung beinahe auslöschte. Warum, warum,
Warum hatte ich nicht darauf bestanden, nach Charleston oder zumindest nach Wilmington zu reiten, um dort vielleicht einen Glasbläser zu finden, der mir den Zylinder und den Kolben für eine Injektionsspritze herstellen konnte. Die Kanüle hätte ich doch
Eine zögerliche Bewegung an der Tür ließ mich herumfahren, während ich mich noch bemühte, mein Gesicht unter Kontrolle zu bekommen. Ich würde den Mitgliedern des Haushaltes sagen müssen, wie die Dinge standen, und zwar bald. Doch es war besser, wenn ich mir den Zeitpunkt selbst aussuchte und es ihnen allen auf einmal sagte.
Es war einer der Beardsleys. Jetzt, wo die verfilzten Stellen aus ihrem Haar herausgewachsen waren und Lizzie ihnen beiden die Haare ordentlich und gleich lang geschnitten hatte, wurde es immer schwieriger, sie auseinanderzuhalten.
»Ma’am?« Es war Kezzie.
»Ja?« Ich klang mit Sicherheit etwas abrupt, doch das spielte keine Rolle; Kezzie konnte keine Nuancen im Tonfall seines Gegenübers heraushören.
Er trug einen Stoffbeutel in der Hand. Als er ins Zimmer kam, sah ich, wie der Beutel zuckte und seine Form veränderte, und ein leiser Schauer des Abscheus durchfuhr mich. Er sah das und lächelte schwach.
»Ist für Ehrwürden«, sagte er mit seiner lauten, etwas flachen Stimme und hielt den Beutel hoch. »Er – der alte Aaron – hat gesagt, es wirkt. Wenn man von einer großen Schlange gebissen wird, holt man sich eine kleine, haut ihr den Kopf ab und trinkt ihr Blut.« Er hielt mir den Beutel entgegen, den ich mit spitzen Fingern entgegennahm und so weit wie möglich von mir fort hielt. Ich bekam eine Gänsehaut, als sich der Inhalt des Säckchens erneut verschob und ein leises Summgeräusch durch den Stoff drang.
»Danke«, sagte ich schwach. »Ich … äh … werde schon etwas damit anfangen. Danke.«