»Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, Sassenach, dass du vielleicht diejenige bist, die unmöglich ist, wenn ich krank bin? Wenn du mir nicht gerade eine ekelhafte Substanz einflößt, die aus zermahlenen Käfern und Hornspänen besteht, piekst du mich in den Bauch und stellst intime Nachfragen über den Zustand meiner Eingeweide an. Ahh!«
Ich hatte ihm in der Tat die Decke weggezogen und seinen Unterbauch abgetastet. Keine Schwellung auf Grund einer vollen Blase; sein Ausruf schien allein der Tatsache zuzuschreiben zu sein, dass er kitzelig war. Ich betastete rasch seine Leber, fand aber keinerlei Verhärtung – was mich erleichterte.
»Hast du Rückenschmerzen?«
»Ich habe nur Schmerzen, weil jemand an meinen Nerven zerrt«, sagte er, sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und verschränkte seine Arme schützend vor seiner Körpermitte. »Und sie werden ständig schlimmer.«
»Ich versuche herauszufinden, ob das Schlangengift deine Nieren angegriffen hat«, erklärte ich geduldig und beschloss, seine letzte Bemerkung zu überhören. »Wenn du nicht pinkeln kannst –«
»Das kann ich wunderbar«, versicherte er mir und zog sich die Decke bis zur Brust hoch, bevor ich ihm am Ende den Beweis abverlangte. »Jetzt lass mich doch einfach frühstücken, und dann –«
»Woher weißt du das? Du hast doch noch gar nicht –«
»Doch.« Als er den skeptischen Blick sah, den ich dem Nachttopf zuwarf, sah er mich finster an und murmelte irgendetwas, das mit »… Fenster« endete. Ich fuhr zum Fenster herum, dessen Läden geöffnet und dessen untere Hälfte trotz der kalten Morgenluft hochgeschoben war.
»Du hast was getan?«
»Nun ja«, verteidigte er sich. »Ich habe da gestanden, und da habe ich mir gedacht, ich könnte es einfach tun, das ist alles.«
»Warum hast du da gestanden?«
»Oh, nur so.« Er blinzelte mich an, unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Ich ließ die Frage im Raum stehen und wandte mich wichtigeren Dingen zu.
»Hattest du Blut im –«
»Was hast du mir zum Frühstück mitgebracht?« Ohne meine klinischen Fragen weiter zu beachten, drehte er sich auf die Seite und hob die Serviette an, die über dem Tablett lag. Er warf einen Blick auf die Schüssel mit Brot und Milch, die darunter zum Vorschein kam, dann wandte er mir den Kopf zu und sah mich zutiefst verletzt an.
Bevor er eine weitere Litanei von Beschimpfungen beginnen konnte, kam ich ihm zuvor, indem ich mich neben ihn auf einen Hocker setzte und unverblümt fragte: »Was stimmt eigentlich mit Tom Christie nicht?«
Er kniff überrascht die Augen zu.
»Stimmt mit dem Mann denn etwas nicht?«
»Ich habe keine Ahnung; ich habe ihn ja noch nie gesehen.«
»Nun, ich habe ihn auch seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen«, sagte er und griff nach dem Löffel, um argwöhnisch in der Mischung aus Brot und Milch herumzustochern. »Wenn ihm in der Zwischenzeit ein zweiter Kopf gewachsen ist, ist mir das auch neu.«
»Langsam«, sagte ich geduldig. »Es ist möglich – und ich sage
Jetzt blickte er auf und lächelte mich von der Seite an.
»Oh, aye? So gut, dass du weißt, dass ich nicht besonders viel für Brot mit Milch übrighabe?«
Beim Anblick dieses Lächelns bekam ich Herzflattern, doch ich bewahrte mir meine Würde.
»Wenn du meinst, dass du mich dazu erpressen kannst, dass ich dir ein Steak bringe, kannst du es vergessen«, mahnte ich ihn. »Ich habe es nicht eilig damit, Tom Christies Geheimnis herauszufinden.« Ich erhob mich, schüttelte meine Röcke aus, als wollte ich gehen, und wandte mich zur Tür.
»Sagen wir Porridge mit Honig, und ich erzähle es dir.«
Als ich mich umdrehte, grinste er mich an.
»Abgemacht«, sagte ich und kehrte zu meinem Hocker zurück.
Er dachte einige Sekunden nach, doch ich konnte sehen, dass er nur überlegte, wie und wo er beginnen sollte.
»Roger hat mir von der Freimaurerloge in Ardsmuir erzählt«, sagte ich, um ihm zu helfen. »Gestern Abend.«
Jamie warf mir einen verblüfften Blick zu.
»Und wie hat unser Roger Mac das herausgefunden? Hat Christie es ihm erzählt?«
»Nein, Kenny Lindsay. Aber Christie hat Roger offensichtlich bei seiner Ankunft mit irgendeinem Freimaurerzeichen begrüßt. Eigentlich dachte ich, Katholiken dürften gar keine Freimaurer werden.«
Er zog eine Augenbraue hoch.
»Aye, nun ja. Der Papst war nicht in Ardsmuir, und ich war es. Obwohl mir auch nichts davon bekannt ist, dass es verboten ist. Dann ist unser Roger also auch ein Freimaurer, ja?«
»Offensichtlich. Und vielleicht ist es jetzt ja noch gar nicht so. Es wird aber später verboten.« Ich beendete das Thema mit einer Handbewegung. »Das ist aber nicht Christies einziges Geheimnis, oder?«
Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab.
»Nein«, sagte er leise. »Erinnerst du dich noch an einen gewissen Sergeant Murchison, Sassenach?«
»Lebhaft.« Ich war dem Sergeant nur ein einziges Mal begegnet, und zwar vor zwei Jahren in Cross Creek. Allerdings kam mir der Name auch noch in einem anderen, aktuelleren Zusammenhang bekannt vor. Dann fiel mir wieder ein, wo ich ihn gehört hatte.