»Wenn es so gewesen ist, ist es mir nicht zu Ohren gekommen. Andererseits«, fügte er in aller Logik hinzu, »gibt es natürlich keinen Grund, warum es mir jemand erzählen sollte.«
Das stimmte allerdings. Wenn Hector Cameron die Mittel gehabt hatte, sich an importierten Betäubungsmitteln zu verlustieren – und er hatte sie mit Sicherheit gehabt, da River Run eine der florierendsten Plantagen der ganzen Gegend war –, dann war das ganz allein seine Sache gewesen. Dennoch war ich überzeugt, dass irgendjemand es erwähnt hätte.
Jamies Gedankengänge nahmen eine andere Richtung.
»Warum sollte ein Mann mitten in der Nacht aus dem Haus gehen, um zu pinkeln, Sassenach?«, fragte er. »Ich
»Eine exzellente Frage.« Ich starrte auf die Seite mit dem kryptischen Gekritzel. »Wenn Hector Cameron große Schmerzen oder Schwierigkeiten hatte – zum Beispiel durch einen Nierenstein –, könnte es doch sein, dass er nach draußen gegangen ist, um das Haus nicht zu wecken.«
»Mir ist zwar nichts davon zu Ohren gekommen, dass mein Onkel Opiumesser war, aber davon, dass er große Rücksicht auf seine Frau oder seine Dienstboten genommen hat, weiß ich auch nichts«, merkte Jamie ausgesprochen zynisch an. »Nach allem, was man hört, war Hector Cameron ein Erzschurke.«
Ich lachte.
»Das ist bestimmt auch der Grund, warum deine Tante Duncan so schätzt.«
Adso kam mit den Überresten der Libelle im Maul hereinspaziert und setzte sich zu meinen Füßen nieder, so dass ich seine Beute bewundern konnte.
»Fein«, sagte ich und tätschelte ihn beiläufig. »Iss aber nicht zu viel davon; in der Vorratskammer sind noch jede Menge Küchenschaben, um die du dich kümmern sollst.«
»
»Was?« Ich starrte ihn an.
»Bist du noch nicht auf den Gedanken gekommen, Sassenach, dass der Mann, dem der Doktor gefolgt ist, vielleicht gar nicht Cameron war?«
»Bis jetzt nicht, nein.« Ich beugte mich vor und blinzelte auf die Buchseite. »Aber warum sollte es jemand anders gewesen sein, geschweige denn, ein Franzose?«
Jamie wies mit dem Finger auf den Rand der Seite, der ein paar kleine Zeichnungen trug; Schnörkel, hatte ich gedacht. Die Zeichnung unter seinem Finger war eine Lilie.
»
»Das ist gut möglich, es sei denn, er hätte die betreffende Person untersucht«, wandte ich ein. »Er fügt zwar persönliche Beobachtungen ein, doch das meiste in diesem Buch sind nur seine Fallhistorien; seine Beobachtungen über seine Patienten und die Behandlungen, die er angewandt hat. Aber trotzdem …« Ich blickte stirnrunzelnd auf die Seite. »Eine an den Rand gekritzelte Lilie muss nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben, schon gar nicht, dass ein Franzose dort war.« Abgesehen von Fergus gab es kaum Franzosen in North Carolina. Ich wusste von einer Reihe französischer Siedlungen südlich von Savannah – aber das war Hunderte von Meilen entfernt.
Die Lilie
Über der Lilie befand sich eine Zeichnung, die aussah wie ein Dreieck mit einem kleinen Kreis am Scheitelpunkt und einer gerundeten Basis; darunter stand eine Abfolge von Buchstaben.
»A … u«, sagte ich langsam, während ich sie betrachtete. »Aurum.«
»Gold?« Jamie sah überrascht zu mir auf. Ich nickte.
»Ja, es ist die wissenschaftliche Abkürzung für Gold. ›Aurum et aqua.‹ Ich vermute, er meint Goldwasser, Goldspäne in einer wässrigen Lösung. Es ist ein Heilmittel für Arthritis – seltsamerweise funktioniert es oft, auch wenn niemand weiß, warum.«
»Teuer«, merkte Jamie an. »Obwohl Cameron es sich sicher erlauben konnte – vielleicht hatte er ein oder zwei Unzen von seinem Goldbarren zurückbehalten, was?«
»Er hat gesagt, dass Cameron Arthritis hatte.« Ich betrachtete stirnrunzelnd die Seite und ihre kryptischen Randbemerkungen. »Vielleicht hatte er vor, ihm Goldwasser zu empfehlen. Aber ich habe keine Ahnung, was die Lilie oder dieses andere Ding zu bedeuten haben –« Ich zeigte mit dem Finger darauf. »Wenn es ein Symbol für eine medizinische Behandlung ist, so ist es
Zu meiner Überraschung lachte Jamie.