Der Federkiel hielt mit sanftem Kratzen ein Wort nach dem anderen fest, um es wie ein Glühwürmchen auf die Seite zu heften. Es war schon sehr spät, und Rogers Muskeln waren vor Kälte und vom langen Sitzen verkrampft, doch er war fest entschlossen, alle neuen Strophen niederzuschreiben, solange sie ihm noch frisch im Gedächtnis waren. Mochte Clellan am Morgen aufbrechen, um von einem Bären gefressen zu werden oder durch Steinschlag umzukommen, Telfers Vetter Willie würde weiterleben.
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Die Kerze knisterte kurz auf, weil die Flamme an eine fehlerhafte Stelle im Docht rührte. Das Licht, das auf sein Papier fiel, wackelte und schwankte, und die Buchstaben verschwanden abrupt in der Dunkelheit, als die Kerzenflamme von einem Lichtfinger zu einem blau glimmenden Zwerg zusammenschrumpfte wie der plötzliche Tod einer Miniatursonne.
Roger ließ die Feder sinken und ergriff mit einem leisen Fluch den irdenen Kerzenhalter. Er blies sanft puffend auf den Docht, um die Flamme wiederzubeleben.
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Genährt von seinem Atem, erhob sich kurz ein zerrupfter, oranger Heiligenschein, doch dann schwand er trotz fortgesetzten Pustens zunehmend dahin und verlosch zu einem roten Leuchtpunkt, der ein paar Sekunden lang spottend vor sich hin glühte, bevor er ganz verschwand. Was blieb, war ein weißes Rauchwölkchen im Halbdunkel des Zimmers und der Duft heißen Bienenwachses in seiner Nase.
Er wiederholte seinen Fluch, diesmal etwas lauter. Brianna bewegte sich im Bett, und er hörte das Maisstroh ächzen, als sie mit einem müden Fragelaut den Kopf hob.
»Ist schon gut«, flüsterte er heiser und warf einen nervösen Blick auf das Rollbett in der Ecke. »Die Kerze ist ausgegangen. Schlaf weiter.«
»Ngm.« Ein Plumps und ein Seufzer, als ihr Kopf wieder auf die Gänsedaunen des Kopfkissens traf.
Pünktlich wie die Maurer hob Jemmy den Kopf aus seinem Deckennest, und die dumpfe Glut des Herdfeuers erleuchtete seinen Strahlenkranz aus flammendem Plüsch. Er machte ein Geräusch verwirrten Drängens, nicht ganz ein Jammern, und bevor Roger sich rühren konnte, war Brianna wie eine Lenkrakete aus dem Bett geschossen, hatte den Jungen aus seinem Bettzeug gerissen und fummelte einhändig an seinen Kleidern herum.
»Topf!«, herrschte sie Roger an und tastete blind mit ihrem nackten Fuß hinter sich herum, während sie mit Jemmys Kleidern kämpfte. »Such den Nachttopf! Nur eine Minute, Schätzchen«, gurrte sie Jemmy in abrupt verändertem Ton zu. »Warte nur noch eiiin Minütchen …«
Durch ihren drängenden Ton zu augenblicklichem Gehorsam getrieben, ließ sich Roger auf die Knie sinken und fuhr suchend mit dem Arm durch das schwarze Loch unter dem Bett.
»Hier!« Er fand den Keramiktopf, stieß ihn unglücklich gegen den Fuß des Bettes – Gott sei Dank zerbrach er nicht! – und kegelte ihn quer über den Fußboden zu Brianna hinüber.
Sie hockte den inzwischen nackten Jemmy mit einem Ausruf der Genugtuung auf den Topf, und es blieb Roger überlassen, im Halbdunkel nach seiner zu Boden gefallenen Kerze zu tasten, während sie Jemmy ermutigend zumurmelte.
»Okay, Schätzchen, ja, so ist es richtig …«
Er fand die Kerze, die zum Glück nicht zerbrochen war, und umrundete vorsichtig das Drama auf dem Töpfchen, um sich vor das Feuer zu knien und den geschwärzten Docht an der Glut neu zu entzünden. Weil er gerade dabei war, stocherte er in der Glut herum und legte ein frisches Holzscheit hinein. Das wiederbelebte Feuer erleuchtete Jemmy, der sich gerade erfolgreich zu bemühen schien, seiner sitzenden Position und dem Drängen seiner Mutter zum Trotz wieder einzuschlafen.