»Auf der Insel steht ein Leuchtturm, Ma’am. Von seiner Spitze aus kann man weit auf die See hinausblicken. Man könnte sehen, ob Schiffe vor der Küste liegen.«
Marsalis Hand fuhr umgehend an ihre Tasche und kämpfte mit der Schleife. Ich beobachtete, wie Germain über ihre Schulter hinweg eifrig eine tote Muschel in Jemmys gierig geöffneten Mund schob wie eine Vogelmutter, die ihren Nachwuchs mit einem schönen, saftigen Wurm füttert, und kam ihm taktvoll zuvor, indem ich Jemmy rasch an mich nahm.
»Nein, Schätzchen«, sagte ich und warf die Muschel vom Dock. »Du willst doch dieses fiese Ding nicht haben. Möchtest du dir stattdessen nicht lieber einen schönen, toten Wal ansehen?«
Jamie seufzte resigniert und griff nach seinem Sporran. »Dann ruft am besten noch ein anderes Boot, damit wir nicht alle zusammen ertrinken.«
Draußen auf dem Wasser war es herrlich. Die Sonne war von einem Dunstschleier verdeckt, und der kühle Lufthauch verlockte mich, meinen Hut abzunehmen, um den Wind in meinem Haar zu spüren. Es war zwar nicht völlig still und flach, doch das Auf und Ab der Wellen war friedlich und beruhigend – wenn man nicht an der Seekrankheit litt.
Ich warf einen Blick auf Jamies Rücken, doch er hatte den Kopf gesenkt, und seine Schultern bewegten sich locker und kraftvoll im Rhythmus seiner Ruderbewegungen.
Als er sich einmal in das Unvermeidliche ergeben hatte, hatte er kurzen Prozess gemacht, ein zweites Boot herbeigerufen und Brianna, Marsali und die Jungen hineingescheucht. Daraufhin hatte er seine Brosche abgelegt und verkündet, dass er und Roger das verbleibende Boot rudern würden. So konnte Duff sich ausruhen, und möglicherweise stiegen ja die Chancen, dass er sich an etwas Interessantes in Bezug auf Stephen Bonnet erinnerte.
»Wenn ich etwas zu tun habe, kotze ich nicht so schnell«, murmelte er mir zu, während er sich seines Rockes und Plaids entledigte.
Roger prustete leicht belustigt auf, nickte aber gutmütig und zog sich ebenfalls den Rock und das Hemd aus. Nachdem wir Duff und Peter am einen Ende des Fahrzeugs untergebracht hatten, wo sie sich lauthals darüber amüsierten, dass man sie dafür bezahlte, sich in ihrem eigenen Boot durch die Gegend rudern zu lassen, wurde ich angewiesen, ihnen gegenüber am anderen Ende Platz zu nehmen.
»Nur, um ein Auge auf die Dinge zu haben, Sassenach.« Im Schutz seiner zusammengerollten Kleider legte Jamie meine Hand um den Lauf seiner Pistole und drückte sie leicht. Er reichte mich ins Boot weiter, dann kletterte er selbst vorsichtig hinunter, wurde aber ein wenig blass, als sich das Boot unter seinem Gewicht schwankend drehte.
Zum Glück
Roger, der unmittelbar vor mir saß, ruderte fließend und mit rhythmischen Bewegungen seiner breiten Schultern, die diese Arbeit offensichtlich nicht zum ersten Mal taten. Jamie, der vor Roger saß, bediente die Ruder sehr elegant, aber etwas weniger selbstsicher. Er war kein Seemann und würde nie einer sein. Doch immerhin schien ihn das Rudern von seinem Magen abzulenken. Für den Moment.
»Oh, daran könnt ich mich gewöhnen, was sagst du dazu, Peter?« Duff hob seine lange Nase in den Wind und genoss mit halb geschlossenen Augen die völlig neue Erfahrung, sich rudern zu lassen.
Peter, der eine exotische Mischung aus Indianer und Schwarzafrikaner zu sein schien, knurrte als Erwiderung, entspannte sich jedoch nicht minder erfreut neben Duff auf der Bank. Sein einziges Kleidungsstück war eine fleckige Leinenkniehose, die er an der Taille mit einem geteerten Seil zugebunden hatte, und die Sonne hatte ihn so dunkel gebräunt, dass er ein Neger hätte sein können, hätte er nicht dichtes, langes, schwarzes Haar gehabt, das ihm bis über die Schulter fiel und mit Muschelstückchen und kleinen, getrockneten Seesternen verziert war.
»Stephen Bonnet?«, erkundigte sich Jamie freundlich, während er heftig an den Rudern zog.
»Oh, der.« Duff sah ganz so aus, als wäre es ihm lieber gewesen, dieses Thema auf unbestimmte Zeit zu verschieben, doch nach einem Blick in Jamies Gesicht fügte er sich in sein Schicksal.
»Was wollt Ihr denn wissen?« Der kleine Mann zog argwöhnisch den Kopf ein.
»Erst einmal, wo er ist«, sagte Jamie und zog leise ächzend an den Rudern.
»Keine Ahnung«, sagte Duff prompt, und seine Miene hellte sich auf.
»Nun, wo habt Ihr den Kerl zuletzt gesehen?«, fragte Jamie geduldig.
Duff und Peter wechselten einen Blick.
»Nun ja«, begann Duff vorsichtig, »meint Ihr damit, wo ich den Kapitän zuletzt vor der Nase hatte?«
»Was soll er denn sonst meinen, Dummkopf?«, sagte Roger und legte sich ächzend in die Ruder.