»Siedler«, wiederholte er, und in seiner Wange zuckte ein Muskel. »Was führt Euch denn so weit von zu Hause fort, wenn ich fragen darf?«
»Das dürft Ihr nicht«, sagte ich. »Oder vielmehr – Ihr könnt meinen Mann fragen. Er kommt gleich.«
Bei diesen Worten trat ich einen weiteren Schritt zurück, und er trat zur selben Zeit einen Schritt vor. Ein Ausdruck der Panik muss über mein Gesicht gehuscht sein, denn er zog eine belustigte Miene und kam noch einen Schritt näher.
»Oh, das bezweifle ich, liebe Mrs. Fraser. Denn wisst Ihr, der Mann ist längst tot.«
Ich drückte Jemmy so fest, dass er einen unterdrückten Quietschlaut ausstieß.
»Wie meint Ihr das?«, fragte ich heiser. Das Blut wich mir aus dem Kopf, um rings um mein Herz zu einem eisigen Ball zu gerinnen.
»Nun, wisst Ihr, wir hatten eine Abmachung«, sagte er, und die Belustigung in seiner Miene verstärkte sich. »Pflichtverteilung, könnte man sagen. Mein Freund Lillywhite und der liebe Sheriff sollten sich um Mr. Fraser und Mr. MacKenzie kümmern, und Leutnant Wolff sollte die Cameron’sche Seite des Geschäftes regeln. So blieb mir die angenehme Aufgabe, meine Bekanntschaft mit meinem Sohn und seiner Mutter zu erneuern.« Sein Blick wurde schärfer und richtete sich auf Jemmy.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet«, sagte ich mit steifen Lippen und umklammerte Jemmy, der Bonnet mit weit geöffneten Eulenaugen beobachtete.
Bei diesen Worten lachte er kurz auf.
»Natürlich, und Ihr seid eine lausige Lügnerin, Ma’am, wenn Ihr mir diese Anmerkung verzeiht. Ihr könntet im Leben keine Kartenspielerin werden. Ihr wisst ganz genau, was ich meine – Ihr habt mich doch auf River Run gesehen. Obwohl ich gestehen muss, dass ich furchtbar gern wüsste, was Ihr und Mr. Fraser dort getrieben habt, als Ihr diese Negerfrau zerschnipselt habt, die Wolff umgebracht hat. Ich habe ja schon davon gehört, dass man in den Augen des Opfers das Spiegelbild seines Mörders sehen kann – aber soweit ich das sehen konnte, schien Euer Interesse nicht ihren Augen zu gelten. War es also Magie, die Ihr dort getrieben habt?«
»Wolff – dann
»Aye. Ein furchtbarer Stümper, dieser Wolff«, sagte er unbeteiligt. »Aber er hat die Sache mit dem Gold überhaupt herausgefunden, also wollte er natürlich auch dabei sein.«
Wie weit waren Marsali und Brianna von uns entfernt? Hatte Germain sie gefunden? Im Surren der Insekten und dem fernen Rauschen der See konnte ich nichts hören. Sie mussten uns aber doch reden hören.
»Gold«, sagte ich und sprach mit Absicht etwas lauter. »Was meint Ihr damit, Gold? Es gibt kein Gold auf River Run; das hat Euch Jocasta Cameron doch gesagt.«
Er schnaubte in aufrichtigem Unglauben.
»Ich gebe ja zu, dass Mrs. Cameron eine bessere Lügnerin ist als Ihr, meine Liebe, aber natürlich habe ich ihr auch nicht geglaubt. Der Doktor hat das Gold schließlich gesehen.«
»Was denn für ein Doktor?« Ein schriller Babyschrei drang entfernt durch das Gebüsch – Joan. Ich hustete, um das Geräusch zu übertönen, und wiederholte meine Frage, diesmal lauter. »Was denn für ein Doktor?«
»Ich glaube, er hieß Rawls, oder Rawlings.« Bonnet runzelte leicht die Stirn und wandte den Kopf zum Meer. »Ich habe jedoch nicht das Vergnügen gehabt, seine Bekanntschaft zu machen; es könnte sein, dass ich mich irre.«
»Es tut mir leid – ich habe immer noch keine Ahnung, wovon Ihr redet.« Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen und gleichzeitig den Boden ringsum nach etwas abzusuchen, das ich als Waffe benutzen konnte. Bonnet trug eine Pistole und ein Messer im Gürtel, machte aber keinerlei Anstalten, eines von beidem zu ziehen. Warum auch? Eine Frau mit einem zweijährigen Kind auf dem Arm stellte schließlich keine Bedrohung dar.
Er zog eine seiner dichten blonden Augenbrauen hoch, doch was auch immer er vorhatte, er schien keine große Eile damit zu haben.
»Nicht? Nun, wie schon gesagt, es war Wolff. Er musste sich einen Zahn ziehen lassen oder so etwas und ist in Cross Creek diesem Medizinmann begegnet. Hat den Kerl zur Belohnung eingeladen und am Ende mit ihm einen ganzen Weinschlauch leer gesoffen. Ihr wisst ja sicher, dass der Leutnant eine Schwäche für den Alkohol hat – der Doktor war auch nicht besser, wie ich höre, und bei Tagesanbruch waren die beiden beste Freunde. Rawlings hat ausgeplaudert, er hätte auf River Run eine große Menge Gold gesehen, denn er kam gerade von dort.«
Rawlings hatte dann entweder das Bewusstsein verloren, oder er war so weit nüchtern geworden, dass er nichts mehr gesagt hatte, doch seine Enthüllung hatte den Leutnant erneut in seinem Vorhaben bekräftigt, die Hand – und das Eigentum – Jocasta Camerons zu erwerben.