»Die Dame wollte aber nichts davon hören, und dann geht sie auf einmal hin und verkündet, dass sie stattdessen lieber diesen einarmigen Kerl nimmt. Das hat dem Stolz des Leutnants leider einen grausamen Hieb versetzt.« Bei diesen Worten grinste er, und ich konnte sehen, dass ihm auf der einen Seite ein Backenzahn fehlte.
Aufgebracht und verdattert hatte Wolff seinen guten Freund Randall Lillywhite um Rat gebeten.
»Warum denn – deswegen hat er also beim
Bonnet nickte.
»Ganz genau. Als Verzögerungstaktik sozusagen, um Wolff die Gelegenheit zu geben, sich etwas einfallen zu lassen.«
Besagte Gelegenheit hatte sich dann bei der Hochzeit ergeben. Wie wir uns schon gedacht hatten, hatte tatsächlich jemand – nämlich Wolff – versucht, Duncan Innes zu betäuben, indem er ihm mit Laudanum versetzten Punsch servierte. Es war geplant gewesen, ihn besinnungslos in den Fluss zu stoßen. Im Schutz des Aufruhrs, der durch Duncans Verschwinden und seinen angeblichen Unfalltod ausgelöst wurde, hätte Wolff dann die Gelegenheit gehabt, sich gründlich nach dem Gold umzusehen – und Jocasta schließlich einen erneuten Antrag zu machen.
»Aber die schwarze Kuh hat das Zeug selbst getrunken«, sagte er teilnahmslos. »Dumm, dass sie nicht gleich daran gestorben ist – aber sie hätte natürlich sagen können, von wem sie den Becher hatte, also hat Wolff ihr insgeheim zerstampftes Glas in ihren Brei gemischt.«
»Was ich gern wüsste«, sagte ich, »ist, wie
»Ist der Leutnant denn nicht schon seit Jahren mein Busenfreund, meine Teuerste? Er hat mich gebeten, ihm beim Abservieren des einarmigen Kerls zu helfen, so dass alle Welt sehen konnte, wie er in aller Unschuld feierte und sich amüsierte, während seinen Rivalen ein Unglück ereilte.« Er runzelte leicht die Stirn und klopfte mit dem Finger auf den Griff seiner Pistole.
»Ich hätte Innes besser eins über den Schädel gezogen und ihn ins Wasser geworfen, als ich gesehen habe, dass das Laudanum in der falschen Kehle gelandet war. Ich bin aber nicht an ihn herangekommen – er hat den halben Tag auf dem Topf gesessen, und ständig war irgendeiner von den verwünschten Gästen mit ihm dort.«
In meiner Nähe lag nichts auf dem Boden, das sich auch nur irgendwie als Waffe geeignet hätte. Zweige, Laub, Muschelsplitter, eine tote Ratte – nun, bei Germain hatte sie funktioniert, aber ich glaubte nicht, dass sich Bonnet zweimal auf diese Weise überraschen ließ. Jemmys Angst vor dem Fremden ließ nach, je länger wir redeten, und er fing an, sich zu winden, weil er wieder auf den Boden gesetzt werden wollte.
Ich wich ein kleines Stück zurück; Bonnet sah es und lächelte. Es kümmerte ihn nicht. Offenbar glaubte er nicht, dass ich ihm entwischen konnte, und außerdem wartete er nicht minder offenbar auf irgendetwas. Natürlich – er hatte es mir ja selbst gesagt. Er wartete auf Brianna. Etwas spät begriff ich, dass er uns aus der Stadt hierher gefolgt war; er wusste, dass Marsali und Brianna in der Nähe waren – es war viel einfacher, schlicht zu warten, bis sie sich zeigten.
Meine einzige Hoffnung war, dass noch jemand anders des Weges kam; das Wetter war schwül und feucht, doch noch regnete es nicht, und Mrs. Burns hatte gesagt, das Wäldchen sei eine beliebte Stelle zum Picknicken. Was aber fing ich an, wenn jemand vorbeikam? Ich wusste, dass Bonnet nicht die geringsten Skrupel haben würde, schlicht und ergreifend auf jeden zu schießen, der ihm im Weg war – schließlich brüstete er sich ja gerade mit dem Rest seiner blutrünstigen Pläne.
»Mrs. Cameron – Mrs. Innes heißt sie wohl jetzt – schien ganz redselig zu werden, als ich ihr verdeutlicht habe, dass ihrem Mann sonst bald ein paar kostbare Teile fehlen könnten, doch hat sich ja herausgestellt, dass sie selbst da gelogen hat, die alte Krähe. Aber als ich dann später über die Sache nachgedacht habe, ist mir der Gedanke gekommen, dass sie sich vielleicht eher erweichen lässt, wenn es um ihren Erben geht.« Er wies kopfnickend auf Jemmy und schnalzte mit der Zunge, als er ihn jetzt ansprach. »Also, Kleiner, wollen wir deine Großtante besuchen gehen?«
Jemmy sah Bonnet argwöhnisch an und kuschelte sich an mich.
»Werdas?«, fragte er.
»Oh, nur ein kluges Kind kennt seinen Vater, nicht wahr? Ich bin dein Pa, Junge – hat deine Mutter dir das nicht gesagt?«
»Papa?« Jemmy sah zuerst Bonnet an, dann mich. »Das nich’ Papa!«
»Nein, er ist nicht dein Papa«, versicherte ich Jemmy und lagerte ihn um. Meine Arme schmerzten allmählich von der Anstrengung, ihn zu tragen. »Er ist ein böser Mann; wir mögen ihn nicht.«
Bonnet lachte.
»Kennt Ihr denn gar keine Scham, meine Teuerste? Natürlich ist er mein Sohn – Eure Tochter hat es mir selbst ins Gesicht gesagt.«