»Es war bestimmt eine Woche lang ein großes Thema in den Zeitungen«, fuhr Brianna fort. »Die anderen Aktivistengruppen haben die Regierung beschuldigt, sie beseitigt zu haben, um nicht durch die Dinge in Verlegenheit gebracht zu werden, die eventuell bei dem Verfahren ans Licht kommen würden. Also wurde eine große Suchaktion veranstaltet, und ich meine, ich hätte gelesen, dass sie einen der Vermissten tot gefunden haben – irgendwo im Wald in New Hampshire oder Vermont oder so –, aber sie konnten nicht sagen, wie er gestorben ist. Und niemand hat eine Spur von den anderen gefunden.«
»
Jamie nickte nüchtern.
»Aye, nun gut; ich denke, dieser Springer könnte der Mann sein.« Er berührte die Seite, die er vor sich hatte, beinahe respektvoll.
»Er und seine vier Begleiter haben jede Verbindung zur weißen Welt abgebrochen und sich neue Namen gegeben, die ihrem wirklichen Erbe entstammten – sagt er.«
»Das ist ja dann auch das einzig Richtige«, sagte Ian leise. Eine neue, seltsame Stille haftete ihm an, und ich musste daran denken, dass er während der letzten beiden Jahre ein Mohawk gewesen war – von seinem weißen Blut rein gewaschen, Wolfsbruder getauft –, einer der Kahnyen’kehaka, der Wächter des Westtores.
Ich hatte das Gefühl, dass auch Jamie diese Stille bewusst war, doch er hielt seinen Blick auf das Tagebuch gerichtet, dessen Seiten er behutsam umblätterte, während er ihren Inhalt zusammenfasste.
Robert Springer – oder Ta’wineonawira, oder »Otterzahn«, wie er sich fortan nannte – hatte diverse Verbindungen zur Schattenwelt politischer Extremisten und den noch tieferen Schatten unterhalten, die er als Schamanismus der Ureinwohner bezeichnete. Ich hatte keine Ahnung, wie groß die Ähnlichkeit zwischen seinem Tun und den ursprünglichen Bräuchen der Irokesen war, doch Otterzahn glaubte, dass er von den Mohawk abstammte und machte sich jeden Fetzen von Tradition zu eigen, den er finden – oder erfinden – konnte.
Bei diesen Worten setzte ich mich abrupt auf. Er hatte Raymond bereits zu Anfang erwähnt, doch da war mir der Name noch nicht besonders aufgefallen.
»Beschreibt er diesen Raymond?«, fragte ich drängend.
Jamie schüttelte den Kopf.
»Nicht, was sein Äußeres betrifft, nein. Er sagt nur, dass Raymond ein großer Schamane war, der sich in Vögel oder Tiere verwandeln konnte – und der durch die Zeit wandeln konnte«, fügte er vorsichtig hinzu. Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Ich hatte einmal die Vermutung – aber, nein, ich weiß es nicht.«
»Was denn?« Ian blickte verwirrt zwischen uns beiden hin und her. Ich schüttelte den Kopf und strich mir die Haare glatt.
»Das tut jetzt nichts zur Sache. Jemand, mit dem ich in Paris bekannt war, hieß Raymond, und ich dachte – aber was um alles in der Welt sollte er neunzehnhundertachtundsechzig in Amerika gewollt haben?«, platzte ich heraus.
»Nun, du warst doch auch da, aye?«, stellte Jamie fest. »Aber lassen wir das fürs Erste beiseite –« Er wandte sich wieder dem Text zu, den er in dem seltsam gestelzten Englisch der Übersetzung vor uns ausbreitete: Weil ihn Raymond faszinierte, hatte sich Otterzahn wiederholt mit dem Mann getroffen und auch mehrere seiner besten Freunde mitgenommen. Nach und nach hatten sie das Projekt entwickelt –
Roger stöhnte leise auf.
»O Gott«, sagte er. »Was hatten sie denn vor – Christoph Columbus zu ermorden?«
»Nicht ganz«, sagte ich. »Er wollte eigentlich vor dem Jahr sechzehnhundert herauskommen. Was ist damals geschehen, weißt du das?«