»Oh.« Willie atmete extrem erleichtert auf. »Mehr nicht?«
Ein Lufthauch bewegte die herabgefallene Daune und gab ihre Position im Dunkeln preis. Jamie schnappte mit Daumen und Zeigefinger zu und hob sie sachte auf.
»Doch, ich habe auch einen Sohn«, sagte er und blickte auf den Haken, der sich irgendwie in seinen Daumen gebohrt hatte. Ein kleiner Blutstropfen quoll um das glänzende Metall herum auf. »Ein Prachtjunge, und ich liebe ihn sehr, aber im Augenblick ist er nicht zu Hause.«
Kapitel 28
Erhitzte Gespräche
Als es Abend wurde, hatte Ian glasige Augen bekommen, und er fühlte sich heiß an. Er setzte sich auf seinem Strohlager auf, um mich zu begrüßen, schwankte aber alarmierend, und er konnte nicht geradeaus blicken. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, sah mir aber dennoch zur Bestätigung seinen Mund an; wie erwartet leuchteten die kleinen, symptomatischen Koplik-Flecke weiß auf seiner dunkelroten Mundschleimhaut auf. Obwohl die Haut auf seinem Hals unter seinen Haaren immer noch so hell war wie die eines Kindes, zeigte sich dort ein harmlos aussehender Ausschlag aus kleinen, rosa Pickelchen.
»Gut«, sagte ich resigniert. »Du hast sie. Am besten kommst du mit zum Haus, damit ich mich besser um dich kümmern kann.«
»Ich habe die Masern? Heißt das, dass ich sterben muss?«, fragte er. Es schien ihn nur beiläufig zu interessieren, als sei seine ganze Aufmerksamkeit auf ein Bild in seinem Innern konzentriert.
»Nein«, sagte ich nüchtern und hoffte, dass ich recht hatte. »Aber dir geht’s ziemlich mies, oder?«
»Ich habe etwas Kopfweh«, sagte er. Das konnte ich sehen; seine Augenbrauen waren zusammengezogen, und selbst das schwache Licht meiner Kerze brachte ihn zum Blinzeln.
Doch er konnte noch laufen, und das war auch gut so, dachte ich, während ich zusah, wie er schwankend die Leiter vom Heuboden herunterstieg. Er sah zwar aus wie ein dürrer Storch, doch er war gut zwanzig Zentimeter größer als ich und mindestens dreißig Pfund schwerer.
Es waren nur zwanzig Meter bis zum Blockhaus, doch bis ich ihn dort hatte, zitterte Ian vor Erschöpfung. Als wir eintraten, setzte sich Lord John auf und machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen, doch ich winkte ab.
»Bleibt liegen«, sagte ich und ließ Ian kraftlos auf einen Hocker sinken. »Ich komme schon zurecht.«
Ich hatte auf dem Rollbett geschlafen; es war schon vorbereitet mit Laken, Bettdecke und Kissen. Ich schälte Ian aus seinen Kniehosen und Strümpfen und steckte ihn unverzüglich unter die Decke. Seine Wangen waren gerötet und klamm, und er sah viel kränker aus als in der gedämpften Beleuchtung des Heubodens.
Der Weidenrindentee, den ich hatte ziehen lassen, war dunkel und aromatisch; gerade richtig zum Trinken. Ich goss ihn vorsichtig in eine Tasse und blickte dabei zu Lord John herüber.
»Der war eigentlich für Euch gedacht«, sagte ich. »Aber wenn Ihr es aushalten könntet zu warten …«
»Gebt ihn auf jeden Fall dem Jungen«, sagte er und winkte ab. »Ich kann gut warten. Aber kann ich Euch vielleicht helfen?«
Mir kam der Gedanke, ihm vorzuschlagen, zum Abort zu gehen, anstatt den Nachttopf zu benutzen – den ich würde entleeren müssen –, wenn er wirklich helfen wollte, doch ich konnte sehen, dass sein Zustand es ihm noch nicht erlaubte, nachts allein umherzuwandern. Ich wollte dem jungen William nicht am Ende erklären müssen, dass ich es hatte geschehen lassen, dass der einzige Elternteil, der ihm geblieben war – oder der Mann, von dem er glaubte, er sei der einzige Elternteil, der ihm geblieben war –, sich eine Lungenentzündung geholt hatte oder gar von Bären gefressen worden war.
Also schüttelte ich nur höflich den Kopf und kniete mich neben das Rollbett, um Ian den Aufguss zu verabreichen. Es ging ihm immerhin so gut, dass er Gesichter schnitt und sich über den Geschmack beschwerte, was ich beruhigend fand. Dennoch waren seine Kopfschmerzen offenbar sehr stark; die Falte zwischen seinen Augen wich nicht von der Stelle und war so tief, als wäre sie mit einem Messer dort eingegraben worden.
Ich setzte mich auf das Rollbett, nahm seinen Kopf auf meinen Schoß und rieb ihm sanft die Schläfen. Dann legte ich meine Daumen gerade eben in seine Augenhöhlen und presste sie fest an der Kante seiner Augenbraue entlang. Er gab einen leisen Laut des Unbehagens von sich, entspannte sich dann aber, und sein Kopf lag schwer auf meinem Oberschenkel.
»Atme einfach nur weiter«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen, wenn es am Anfang etwas unangenehm ist, es heißt, dass ich die richtige Stelle erwischt habe.«
»Schon in Ordnung«, murmelte er in leicht gedehnten Worten. Seine Hand driftete nach oben und schloss sich um mein Handgelenk, groß und sehr warm. »Das hat der Chinamann auch so gemacht, oder?«