Dann berührte er sie doch, zog leise mit den Fingern über ihr Gesicht, strich ihr die roten Locken von Schläfe und Ohr zurück und fuhr die feine Kante ihres Kinns nach. Wieder erschauerte sie, obwohl seine Berührung spürbar warm war; sie spürte die Hitze seiner Handfläche auf ihrer Wange.
»Ich hatte mir dich nicht als Erwachsene vorgestellt«, sagte er und ließ widerstrebend die Hand sinken. »Ich habe die Bilder gesehen, aber trotzdem – in meinen Gedanken bist du immer ein kleines Mädchen gewesen – mein Baby. Ich hätte nie erwartet …« Seine Stimme verstummte, als er sie anstarrte, mit Augen, die den ihren glichen, tiefblau mit dichten Wimpern, vor Faszination aufgerissen.
»Bilder«, sagte sie, atemlos vor Glück. »Du hast Bilder von mir gesehen? Also hat Mama dich gefunden? Als du gesagt hast, du hättest eine Frau zu Hause …«
»Claire«, unterbrach er sie. Der breite Mund hatte seinen Entschluss gefasst; er brach in ein strahlendes Lächeln aus, das seine Augen erleuchtete wie die Sonne zwischen den tanzenden Blättern. Er packte sie an den Armen, so fest, dass sie erschrak.
»Dann hast du sie noch gar nicht gesehen? Himmel, sie wird außer sich sein vor Freude!«
Der Gedanke an ihre Mutter überwältigte sie. Ihre Gesichtszüge entgleisten, und die Tränen, die sie seit Tagen zurückgehalten hatte, ergossen sich in einer Flut der Erleichterung über ihre Wangen, die ihr fast den Atem verschlug, während sie gleichzeitig lachte und weinte.
»Aber, Kleine, weine doch nicht!«, rief er alarmiert aus. Er ließ ihren Arm los und zog ein großes, zerknittertes Taschentuch aus seinem Ärmel. Er drückte es zögernd gegen ihre Wangen und machte ein besorgtes Gesicht.
»Nicht weinen,
»Ist schon gut; alles ist in Ordnung. Ich bin nur – glücklich«, sagte sie. Sie nahm das Taschentuch, wischte sich über die Augen und putzte sich die Nase. »Was bedeutet das –
»Oh, du kannst kein Gälisch?«, fragte er und schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich hat’s ihr keiner beigebracht«, murmelte er, als spräche er mit sich selbst.
»Das lerne ich schon«, sagte sie bestimmt und wischte sich ein letztes Mal über die Nase.
Die Spur eines Lächelns erschien in seinem Gesicht, als er sie ansah.
»Es bedeutet ›Schatz‹«, sagte er leise. »
Die Worte hingen zwischen ihnen in der Luft und schimmerten wie das Laub. Sie standen beide still, plötzlich befangen nach dieser Liebkosung, unfähig, den Blick voneinander abzuwenden, unfähig, die nächsten Worte zu finden.
»Va …« Brianna fing an zu sprechen und hielt dann von Zweifel ergriffen inne. Wie sollte sie ihn nennen? Nicht Papa. Frank Randall war ihr Leben lang Papa für sie gewesen; es wäre Verrat, wenn sie einen anderen Mann so nannte – egal, welchen. Jamie? Nein, das konnte sie unmöglich; sosehr ihn ihr Auftauchen aus der Fassung gebracht hatte, er strahlte eine beachtliche Würde aus, die es ihr verbot, ihn einfach so beim Vornamen zu nennen. »Vater« erschien ihr distanziert und streng – und was Jamie Fraser auch immer sein mochte, das war er nicht; nicht für sie.
»Du kannst … mich Pa nennen«, sagte er. Seine Stimme war heiser; er hielt inne und räusperte sich. »Wenn – wenn du willst, meine ich«, fügte er scheu hinzu.
»Pa«, sagte sie, und diesmal spürte sie das Lächeln mit Leichtigkeit aufblühen, von keiner Träne gebremst. »Pa. Ist das Gälisch?«
Er erwiderte das Lächeln, und sein Mundwinkel zitterte leicht.
»Nein. Es ist nur … einfach.«
Und mit einem Mal war alles einfach. Er streckte seine Arme aus. Sie trat auf ihn zu und stellte fest, dass sie unrecht gehabt hatte; er
Danach schien sich alles in einem Zustand der Benommenheit abzuspielen. Von ihren Gefühlen und der Müdigkeit überwältigt, nahm Brianna die Ereignisse eher wie eine Bilderserie wahr, scharf wie Standfotografien, und nicht als lebendige Bewegung.
Lizzie, die grauen Augen blinzelnd im plötzlichen Licht, winzig und bleich in den Armen eines stämmigen, schwarzen Knechtes, der skurrilerweise einen schottischen Akzent hatte. Ein Wagen, auf dem sich Glas und duftendes Holz türmten. Glänzende Pferdekruppen und das Rucken und Ächzen von Holzrädern. Die Stimme ihres Vaters, tief und warm in ihrem Ohr, während er ein im Bau befindliches Haus beschrieb, hoch auf einem Bergrücken, und ihr erklärte, dass die Fenster eine Überraschung für ihre Mutter waren.
»Aber nicht so eine Überraschung wie du, Liebes!« Und ein Lachen voll tiefer Freude, das in ihrem Innersten widerzuhallen schien.
Eine lange Fahrt über staubige Straßen, und sie schlief mit dem Kopf an der Schulter ihres Vaters, der seinen freien Arm beim Fahren um sie legte, atmete den unvertrauten Geruch seiner Haut ein, und sein seltsames, langes Haar streifte ihr Gesicht, wenn er den Kopf drehte.