Ich war überrascht, dass er noch nicht schlief. Er war weit vor der Morgendämmerung aufgestanden, hatte den Tag mit Brianna auf dem Berg verbracht und war erst lange nach Anbruch der Dunkelheit mit einem Plaid voller rauchbetäubter Bienen zurückgekehrt, die wahrscheinlich sehr verärgert sein würden, wenn sie am Morgen aufwachten und entdeckten, was für einen Streich man ihnen gespielt hatte. Ich nahm mir im Geiste vor, mich von dem Ende des Gartens fernzuhalten, an dem die Reihe der Bienenstöcke stand; frisch umgesiedelte Bienen neigten dazu, zuerst zu stechen und dann erst ihre Fragen zu stellen.
Jamie gab einen tiefen Seufzer von sich, und ich drehte mich zu ihm um und schmiegte mich an seinen Körper. Die Nacht war nicht kalt, doch aus Rücksicht auf Briannas Schamgefühl trug er ein Hemd im Bett.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragte ich leise. »Stört dich das Mondlicht?«
»Nein.« Doch er blickte zum Mond hinaus; er schwebte hoch über dem Bergkamm, noch nicht voll, aber dennoch von einem leuchtenden Weiß, das den Himmel überflutete.
»Wenn es nicht der Mond ist, ist es etwas anderes.« Ich rieb ihm sanft über den Bauch und legte meine Finger um seinen breiten Rippenbogen.
Er seufzte erneut und drückte meine Hand.
»Oh, es ist nur törichtes Bedauern, Sassenach.« Er wandte seinen Kopf zum Rollbett, wo sich Briannas dunkles Haar in einer mondglänzenden Masse über das Kissen ergoss. »Ich bin nur traurig, dass wir sie verlieren müssen.«
»Mm.« Ich ließ meine Hand flach auf seiner Brust ruhen. Ich hatte gewusst, dass es kommen würde – nicht nur die Erkenntnis, sondern auch der Abschied selbst –, doch ich hatte nicht davon sprechen und den vorübergehenden Zauber brechen wollen, der uns drei so eng aneinanderband.
»Man kann ein Kind nicht wirklich verlieren«, sagte ich leise und zeichnete mit meinem Finger die kleine, glatte Einbuchtung auf seiner Brust nach.
»Sie muss zurückgehen, Sassenach – das weißt du genauso gut wie ich.« Er machte eine ungeduldige Bewegung, zog sich aber nicht zurück. »Sieh sie dir an. Hier wirkt sie doch wie Louis’ Kamel, oder nicht?«
Trotz meines eigenen Bedauerns lächelte ich bei dem Gedanken. Louis von Frankreich unterhielt eine umfangreiche Menagerie in Versailles, und bei schönem Wetter bewegten die Wärter bestimmte Tiere und führten sie zur Erbauung der verblüfften Spaziergänger in den weitläufigen Gärten herum.
Eines Tages waren wir in den Gärten spazieren gegangen, und als wir um eine Ecke bogen, war das zweihöckerige Kamel auf dem Weg auf uns zugekommen, prachtvoll und stattlich, mit einem Zaumzeug aus Gold und Silber, und es hatte in stiller Verachtung über der Menge der gaffenden Zuschauer gethront – auffallend, exotisch, und völlig deplaziert zwischen den stilisierten, weißen Statuen.
»Ja«, sagte ich so widerstrebend, dass es mir in der Seele weh tat. »Ja, natürlich muss sie zurückgehen. Sie gehört dorthin.«
»Das weiß ich wohl.« Er legte seine Hand über die meine, hielt aber das Gesicht abgewandt und sah Brianna an. »Es sollte mich nicht schmerzen – aber es tut es trotzdem.«
»Mich auch.« Ich legte meine Stirn an seine Schulter und atmete seinen sauberen Männergeruch ein. »Aber es stimmt – was ich gesagt habe. Man kann ein Kind nicht wirklich verlieren. Erinnerst du – erinnerst du dich noch an Faith?«
Meine Stimme zitterte leicht; wir hatten jahrelang nicht von unserer ersten Tochter gesprochen, die in Frankreich tot geboren worden war.
Sein Arm legte sich um mich und zog mich zu ihm.
»Natürlich«, sagte er leise. »Glaubst du, ich würde das jemals vergessen?«
»Nein.« Tränen liefen mir über das Gesicht, doch ich weinte nicht wirklich; es waren nur meine Gefühle, die überströmten. »Das ist es, was ich meine. Ich habe es dir nie erzählt – als wir Jared in Paris besucht haben –, da bin ich zum Hôpital des Anges gegangen; ich habe dort ihr Grab besucht. Ich – ich habe ihr eine rosa Tulpe gebracht.«
Er schwieg einen Moment lang.
»Ich habe Veilchen für sie mitgenommen«, sagte er so leise, dass ich ihn fast nicht gehört hätte.
Ich war einen Augenblick lang völlig still und vergaß die Tränen.
»Davon hast du mir nichts gesagt.«
»Du mir auch nicht.« Er fuhr mit den Fingern an meinen Rückenwirbeln entlang und strich sanft auf und ab über meinen Rücken.
»Ich hatte Angst, du würdest …« Meine Stimme verstummte. Ich hatte Angst gehabt, dass er sich schuldig fühlen, sich sorgen würde, dass ich ihm ihren Verlust vorwerfen könnte – wie schon einmal. Damals waren wir gerade erst wieder vereint; ich wollte unsere zarte Verbindung nicht gefährden.
»Ich auch.«
»Es tut mir leid, dass du sie nie gesehen hast«, sagte ich schließlich und spürte seinen Seufzer. Er drehte sich zu mir um und legte die Arme um mich. Seine Lippen streiften meine Stirn.
»Es spielt keine Rolle, oder? Aye, es stimmt, was du sagst, Sassenach. Es hat sie gegeben – und wir werden sie immer haben. Und Brianna. Auch wenn – wenn sie geht – wird sie trotzdem noch bei uns sein.«