»Ja. Es spielt keine Rolle, was geschieht; keine Rolle, wohin ein Kind geht – wie weit weg oder für wie lange. Selbst wenn es für immer ist. Man verliert es nicht. Das ist unmöglich.«
Er antwortete nicht, sondern legte seine Arme fester um mich und seufzte noch einmal. Der Wind regte sich mit dem Geräusch von Engelsflügeln über uns in der Luft, und wir schliefen langsam zusammen ein, während uns das Mondlicht in seinen zeitlosen Frieden tauchte.
Kapitel 43
Whisky in the Jar
Ich konnte Ronnie Sinclair nicht leiden. Ich hatte ihn noch nie leiden
Ich räusperte mich laut, und er fuhr zusammen. Er bedachte mich mit einem scharfzahnigen Lächeln und drehte müßig einen Fassreifen zwischen seinen Fingern hin und her.
»Jamie sagt, er braucht bis Ende des Monats noch ein Dutzend von den kleinen Whiskyfässern, und ich brauche so schnell wie möglich ein großes Fass aus Hickoryholz für das Räucherfleisch.«
Er nickte und malte eine Anzahl von Hieroglyphen auf ein Kiefernbrett, das an der Wand hing. Seltsamerweise – für einen Schotten – konnte Sinclair nicht schreiben, beherrschte aber eine Art persönlicher Kurzschrift, die ihn befähigte, den Überblick über die Bestellungen und seine Bücher zu behalten.
»In Ordnung, Misses Fraser. Sonst noch was?«
Ich hielt inne und versuchte zu überlegen, was wir vor dem Schneefall noch vom Küfer brauchen könnten. Wir mussten Fische und Fleisch in Salz einlegen, aber das ging besser in Tonkrügen; in Holzfässern nahmen sie einen Terpentingeschmack an. Ich hatte schon ein schönes, altes Fass für Äpfel und ein anderes für Kürbisse; die Kartoffeln würden wir auf Regalen lagern, um sie vor dem Verfaulen zu bewahren.
»Nein«, entschied ich. »Das ist alles.«
»Aye, Mistress.« Er zögerte und ließ den Reifen schneller kreisen. »Kommt Euer Mann noch einmal herunter, bevor die Fässer fertig sind?«
»Nein; er muss noch die Gerste einbringen und sich um die Schlachtungen und die Destille kümmern. Durch den Prozess sind wir spät dran.« Ich zog eine Augenbraue hoch und sah ihn an. »Wieso? Habt Ihr eine Nachricht für ihn?«
Die Küferwerkstatt lag am Fuß des Berges ganz nah an der Wagenstraße. Sie war das Gebäude, auf das die meisten Besucher zuerst stießen, und daher die Anlaufstelle für die meisten Gerüchte, die von außerhalb nach Fraser’s Ridge drangen.
Sinclair legte seinen gelblich braun behaarten Kopf schief und überlegte.
»Och, wahrscheinlich ist es nicht wichtig. Ich habe nur von einem Fremden im Bezirk gehört, der die Leute über Jamie Fraser ausfragt.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Briannas Kopf herumfuhr; sie wurde augenblicklich aus ihrer Betrachtung der Sprossenhobel, Holzhämmer, Sägen und Beile an der Wand gerissen. Sie drehte sich um, und ihre Röcke raschelten dabei über die Sägespäne, die knöcheltief auf dem Boden des Ladens verstreut lagen.
»Wisst Ihr, wie der Fremde heißt?«, fragte sie aufgeregt. »Oder wie er aussieht?«
Sinclair warf ihr einen überraschten Blick zu. Sein Körper war seltsam proportioniert; er hatte schlanke Schultern, aber muskulöse Arme und Hände, die so riesig waren, dass sie zu einem Mann gepasst hätten, der doppelt so groß war wie er. Er sah sie an, und sein breiter Daumen strich langsam über das Metallband, wieder und wieder.
»Also, über seine Erscheinung kann ich nichts sagen, Mistress«, sagte er durchaus höflich, jedoch mit einem hungrigen Blick in seinen Augen, bei dem ich ihm am liebsten den Reifen abgenommen und ihn ihm um den Hals gelegt hätte. »Aber er hat gesagt, dass er Hodgepile heißt.«
Briannas Gesicht verlor seinen hoffnungsvollen Ausdruck, obwohl sich der Muskel in ihrem Mundwinkel beim Klang des Namens leicht hochzog.
»Ich schätze nicht, dass
»Wahrscheinlich nicht«, stimmte ich zu. »Er hätte ja auch keinen Grund, einen falschen Namen zu benutzen.« Ich wandte mich wieder an Sinclair.
»Ihr habt nicht zufällig von einem Mann namens Wakefield gehört, oder? Roger Wakefield?«
Sinclair schüttelte entschieden den Kopf.
»Nein, Mistress. Euer Mann hat angeordnet, dass man den sofort auf den Berg bringt, wenn er kommt. Falls dieser Wakefield den Bezirk betritt, dann hört Ihr davon, sobald ich es erfahre.«
Brianna seufzte, und ich hörte, wie sie ihre Enttäuschung hinunterschluckte. Es war Mitte Oktober, und obwohl sie nichts sagte, wurde sie doch täglich nervöser. Und da war sie nicht die Einzige; sie hatte uns gesagt, was Roger vorhatte, und der Gedanke an die Vielzahl von Katastrophen, die ihn bei dem Versuch hatten ereilen können, reichte aus, um mich nachts wach zu halten.
»… nach dem Whisky«, sagte Sinclair und riss mich aus meinen Gedanken.
»Dem Whisky? Hodgepile hat sich nach Jamie und Whisky erkundigt?«