Während er spürte, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzog, ging er behutsam in die Mitte des Kreises. Es konnte nicht sein – doch es war so. Und warum auch nicht? Wenn Geillis Duncan recht gehabt hatte … er drehte sich um und sah im Mondlicht die Gravierungen auf der Felswand.
Er ging näher heran, um sie sich anzusehen. Es waren diverse Petroglyphen, einige von der Größe seiner Hand, andere fast so groß wie er selbst; Spiralformen und etwas, das ein Mann sein mochte, tanzend – oder sterbend? Ein fast geschlossener Kreis, der aussah wie eine Schlange, die ihrem Schwanz nachjagte. Warnsignale.
Er erschauerte erneut, und seine Hand fuhr an seine Hosennaht. Sie waren noch da: die beiden Edelsteine, für die er sein Leben riskiert hatte, winzige Sicherheitsgarantien – so hoffte er – für ihn und Brianna.
Er konnte nichts hören; kein Summen, kein Dröhnen. Die Herbstluft war kalt, und ein leichter Wind regte sich in den Rhododendronblättern. Verdammt, was für ein Datum war es? Er wusste es nicht, er hatte es schon lange nicht mehr nachgerechnet. Doch er glaubte, dass es Anfang September gewesen war, als er Brianna in Wilmington verlassen hatte. Bonnet aufzuspüren und eine Gelegenheit zu finden, die Steine zu stehlen, hatte viel länger gedauert als gedacht. Es musste jetzt fast Ende Oktober sein – das Fest des Samhain, die Nacht vor Allerheiligen, war fast da oder erst kurz vorbei.
Doch würde dieser Ring denselben Daten folgen? Er nahm an, dass es so war; wenn die Energielinien der Erde sich mit ihrer Drehung um die Sonne verschoben, dann sollten alle Passagen im Einklang mit dieser Verschiebung offenstehen.
Er trat näher an die Felswand heran und sah es; eine Öffnung fast am Fuß des Kliffs, eine Felsspalte, vielleicht eine Höhle. Ihn überlief ein Schauer, der nicht das Geringste mit dem kalten Nachtwind zu tun hatte. Seine Finger schlossen sich fest um die kleinen, harten Edelsteine. Er hörte nichts, war es offen? Wenn ja …
Treue. Diesen Fluchtweg zu versuchen bedeutete, Brianna im Stich zu lassen.
»Nein, das ist verdammt noch mal nicht wahr!«, flüsterte er vor sich hin. Es gab einen Grund für das, was sie getan hatte, dessen war er sich sicher.
Seine Hände schwitzten; er konnte die feuchte Struktur des groben Stoffes unter seinen Fingern spüren, und seine aufgeschürften Fingerspitzen brannten und pochten. Er trat einen weiteren Schritt auf die Spalte in der Felswand zu, den Blick auf die Schwärze in ihrem Inneren geheftet. Wenn er sie nicht betrat … dann konnte er nur zwei Dinge tun. In die erstickende Umklammerung der Rhododendren zurückkehren oder versuchen, das Kliff vor ihm zu erklimmen.
Er blickte hinauf, um dessen Höhe zu taxieren. Ein Kopf sah auf ihn herab, gesichtslos in der Dunkelheit, vor dem mondhellen Himmel nur als Umriss zu erkennen. Er hatte keine Zeit, sich zu bewegen oder nachzudenken, bevor sich die Seilschlinge sanft über seinen Kopf senkte und ihm die Arme an den Körper fesselte.
Kapitel 52
Allein gelassen
Es hatte geregnet und würde auch bald wieder anfangen. Wassertropfen hingen zitternd unter den Blütenblättern der marmornen Jakobiterrosen auf Hector Camerons Grabmal, und der gepflasterte Weg war dunkel vor Feuchtigkeit.
Sie hatte seit jener Nacht nicht mehr mit Jamie Fraser gesprochen. Er hatte nicht mit ihr gesprochen. Nicht seit jenem letzten Moment, in dem sie ihn im Aufruhr der Angst und Empörung angeschrien hatte: »Mein Vater hätte so etwas niemals gesagt!«
Sie konnte immer noch vor sich sehen, wie sein Gesicht ausgesehen hatte, als sie ihre letzten Worte ausspuckte; sie wünschte, sie könnte es vergessen. Er hatte sich ohne ein Wort abgewandt und das Blockhaus verlassen. Ian war aufgestanden und ihm still gefolgt; keiner von ihnen war in dieser Nacht mehr zurückgekehrt.