Roger schämte sich zwar ein wenig, doch schließlich, so sagte er sich, diente es ihr genauso wie ihm. Wenn sie nicht ging, würde er bald nicht mehr verantwortungsvoll handeln können und am Ende noch etwas tun, was sie beide bedauern würden.
»Oh, danke, Fiona. Es ist nichts Großes; ich habe nur etwas … etwas …« Hektisch versuchte er, sich an den Namen eines Ladenbesitzers im Ort zu erinnern. »Tabak. Ich habe Tabak bei Mr. Buchan an der High Street bestellt. Ob Sie ihn wohl für mich holen würden? Nach diesem herrlichen Tee könnte ich eine gute Pfeife vertragen.«
Fiona war schon dabei, sich die Schürze abzubinden – es war die gute mit den Rüschen und der Spitze, wie Roger grimmig feststellte. Erleichtert schloss er kurz die Augen, als sie die Zimmertür hinter sich zuzog, und vergaß vorübergehend die Tatsache, dass er gar nicht rauchte. Er seufzte auf und wandte sich seinen Gästen zu.
»Sie haben mich gefragt, ob ich gern möchte, dass Sie auch nach den restlichen Namen auf meiner Liste suchen«, sagte Claire beinahe augenblicklich. Roger hatte den merkwürdigen Eindruck, dass sie seine Erleichterung über Fionas Aufbruch zu teilen schien. »Ja, das hätte ich gern – wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände bereitet?«
»Nein, nein! Gar nicht«, sagte Roger, und es war kaum gelogen. »Das tue ich gern.«
Rogers Hand schwebte unentschlossen über der Extravaganz auf dem Teewagen, dann senkte sie sich auf die Kristallkaraffe mit dem zwölf Jahre alten Muir Breame Whisky. Nach dem Scharmützel mit Fiona hatte er das Gefühl, ihn sich verdient zu haben.
»Möchten Sie einen Schluck?«, fragte er seine Gäste höflich. Angesichts von Briannas angewiderter Miene fügte er rasch hinzu: »Oder vielleicht Tee?«
»Tee«, sagte Brianna erleichtert.
»Du weißt ja nicht, was dir entgeht«, sagte Claire zu ihrer Tochter, während sie sich selig die Whiskydämpfe in die Nase steigen ließ.
»Oh doch«, erwiderte Brianna. »Darum lasse ich es mir ja auch entgehen.« Sie zuckte mit den Schultern und sah Roger mit hochgezogener Augenbraue an.
»Man darf in Massachusetts erst ab zwanzig Alkohol trinken«, erklärte Claire, an Roger gewandt. »Brianna hat erst in sieben Monaten Geburtstag; sie ist also wirklich keinen Whisky gewohnt.«
»Ihr tut ja beide so, als wäre es ein Verbrechen, wenn man keinen Whisky mag«, protestierte Brianna und lächelte Roger über ihre Teetasse hinweg an.
Er zog seinerseits die Augenbrauen hoch. »Meine Liebe«, sagte er ernst. »Das hier ist
»Oh, aye?«, äffte Brianna seinen schottischen Akzent ebenso perfekt wie liebenswürdig nach. »Tja, hoffentlich ist es wenigstens kein Kapitalverbrechen wie Morrrd.«
Überrascht lachte er auf und verschluckte sich an seinem Whisky. Während er sich hustend auf die Brust hämmerte, fiel sein Blick auf Claire. Sie lächelte zwar gezwungen, war aber leichenblass geworden. Dann blinzelte sie, ihr Lächeln wurde natürlicher, und der Moment war vorüber.
Roger war erstaunt, wie ungezwungen sie sich unterhalten konnten – sowohl über Allgemeines als auch über Claires Projekt. Brianna hatte eindeutig großes Interesse an der Arbeit ihres Vaters gehabt und wusste einiges mehr über die Jakobiten als ihre Mutter.
»Erstaunlich, dass sie es überhaupt bis nach Culloden geschafft haben«, sagte sie. »Wussten Sie, dass die Highlander die Schlacht von Prestonpans mit nur zweitausend Mann gewonnen haben? Gegen eine englische Armee von achttausend? Unglaublich!«
»Und bei der Schlacht von Falkirk war es nicht viel anders«, meldete sich Roger zu Wort. »In der Unterzahl, viel schlechter bewaffnet, zu Fuß … Sie hätten niemals in der Lage sein dürfen zu tun, was sie getan haben … aber sie haben es getan!«
»Hm-mm«, sagte Claire und trank einen großen Schluck Whisky. »Das haben sie.«
»Ich habe mir gedacht«, sagte Roger betont beiläufig zu Brianna. »Vielleicht möchten Sie ja mitkommen – zu den Schlachtfeldern und anderen historischen Orten? Es ist interessant, und Sie wären mir bestimmt eine große Hilfe bei meinen Nachforschungen.«
Brianna lachte und strich sich das Haar zurück, das ihr immer wieder in den Tee fiel. »Ich weiß zwar nicht, ob ich eine Hilfe wäre, aber mitkommen würde ich gern.«
»Toll!« Überrascht und begeistert, dass sie ja gesagt hatte, griff er nach der Karaffe und hätte sie fast fallen gelassen. Claire rettete sie und füllte ihm mit großer Präzision das Glas.
»Das mindeste, was ich tun kann, nachdem ich ihn letztes Mal verschüttet habe«, sagte sie lächelnd, als er sich bedankte.
Als er sie jetzt so sah, selbstsicher und entspannt, kamen Roger Zweifel an seinen argwöhnischen Vermutungen. Vielleicht war es doch nur ein Unfall gewesen? Ihr hübsches kühles Gesicht verriet ihm jedenfalls nichts.
Eine halbe Stunde später war der Tee vernichtet, die Karaffe war leer, und sie saßen alle drei zufrieden und träge da. Brianna rutschte auf ihrem Stuhl herum, sah Roger an und fragte schließlich, ob sie die Toilette benutzen könnte.