Habe wiederholt versucht, mit ihr über ihre Erlebnisse zu sprechen, aber sie redet nicht darüber. Ansonsten wirkt sie ganz normal, doch man hat immer das Gefühl, dass sie an etwas anderes denkt.
Muss mir merken, dass ich Sonntag über das Übel des Tratschens predige – obwohl ich befürchte, dass ich es nur schlimmer mache, wenn ich die Leute mit einer Predigt noch weiter auf den Fall aufmerksam mache …«
»12. Mai – Werde den Gedanken nicht los, dass Claire Randall nicht verrückt ist. Habe natürlich das Gerede gehört, sehe aber nichts in ihrem Verhalten, das mir irgendwie labil erscheint.
Glaube aber, dass sie ein schreckliches Geheimnis mit sich herumträgt und fest entschlossen ist, es nicht zu verraten. Habe Frank – vorsichtig – darauf angesprochen; er reagiert zurückhaltend, aber ich bin fest überzeugt, dass sie irgendetwas zu ihm gesagt hat. Habe versucht, ihm zu signalisieren, dass ich gern helfen würde, wenn ich kann.«
»14. Mai – Besuch von Frank Randall. Sehr merkwürdig. Er hat mich um Hilfe gebeten, aber ich verstehe den Grund für seine Bitte nicht. Doch es scheint ihm sehr wichtig zu sein; er hat sich zwar fest im Griff, steht aber unter enormer Anspannung. Ich fürchte die Entladung – so sie denn kommt.
Claire ist reisefähig – er hat vor, sie diese Woche nach London zu bringen. Habe ihm versichert, dass ich alles, was ich herausfinde, an die Universität schicken werde; kein Wort zu seiner Frau.
Habe hier mehrere interessante Unterlagen über Jonathan Randall, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, was Franks Vorfahre mit der ganzen traurigen Angelegenheit zu tun hat. Von James Fraser – wie ich zu Frank gesagt habe – keine Spur; ein absolutes Rätsel.«
Ein absolutes Rätsel. Und zwar in mehrfacher Hinsicht, dachte Roger. Was war es gewesen, worum Frank Randall den Reverend gebeten hatte? Anscheinend alles über Jonathan Randall und über James Fraser herauszufinden, was er konnte. Also hatte Claire ihrem Mann von James Fraser erzählt – zumindest etwas, wenn nicht alles.
Doch welche Verbindung konnte es zwischen einem englischen Armeehauptmann, der 1746 in Culloden gestorben war, und dem Mann geben, dessen Name unlösbar mit Claires rätselhaftem Verschwinden im Jahr 1946 verbunden zu sein schien – und darüber hinaus mit Briannas rätselhafter Herkunft?
Der Rest des Tagebuchs war mit den üblichen Ereignissen des Gemeindelebens gefüllt wie der Alkoholsucht Derick Gowans, die darin gipfelte, dass man ihn Ende Mai als Wasserleiche aus dem Ness gezogen hatte, der hastigen Trauung von Maggie Brown und William Dundee einen Monat vor der Taufe ihrer Tochter June; Mrs. Grahams Blinddarm-OP und den Versuchen des Reverends, der daraus resultierenden Flut von fertig gekochten Gerichten Herr zu werden, mit denen ihn die großzügigen Damen der Gemeinde überhäuft hatten – Herbert, der damalige Hund des Reverends, schien in den Genuss des Großteils gekommen zu sein.
Roger ertappte sich dabei, wie er beim Lesen lächelte, weil die große Anteilnahme des Reverends an seinen Schäfchen in den Worten des alten Predigers wieder zum Leben erwachte. Fast hätte er ihn beim Überfliegen der Seiten übersehen – den letzten Eintrag, der sich mit Frank Randalls Bitte befasste.