»Äh … meine Freundin«, improvisierte Roger. Brianna sah ihn zwar mit zusammengekniffenen Augen an, sagte aber nichts. Sie roch eindeutig allmählich Lunte, ging aber ohne Protest vor ihm her, als Greg Edgars die Tür weiter öffnete, um sie beide einzulassen.
Die Wohnung war klein, stickig und vollgestopft mit Möbeln aus dem Gebrauchtladen. Es roch nach kalten Zigaretten und einem schlecht geleerten Mülleimer, und sämtliche horizontalen Oberflächen waren mit Fish-und-Chips-Verpackungen übersät. Brianna warf Roger einen Seitenblick zu, der sagte:
Zumindest war sie nicht persönlich da. Als sich Roger umdrehte, um auf dem Stuhl Platz zu nehmen, den Edgars ihm anbot, sah er sich plötzlich einem großen Studioporträt gegenüber, das in einem Messingrahmen auf dem Kaminsims stand. Er biss sich auf die Zunge, um nicht erschrocken aufzuschreien.
Die Frau auf dem Foto schien ihm direkt ins Gesicht zu sehen, und der Hauch eines Lächelns kräuselte ihr den Mundwinkel. Platinblondes Haar fiel ihr in dichten, glänzenden Schwingen über die Schultern und rahmte ein perfektes, herzförmiges Gesicht ein. Unter dichten, dunklen Wimpern leuchteten ihre Augen tiefgrün wie Moos im Winter.
»Gut getroffen, was?« Greg Edgars betrachtete das Foto mit einer Mischung aus Feindseligkeit und Sehnsucht.
»Äh, ja. Wie sie leibt und lebt.« Roger verging ein wenig der Atem, und er drehte sich, um ein zerknülltes Pommes-Papier von seinem Stuhl zu nehmen. Briannas Blick hing fasziniert an dem Porträt. Ihre Augen wanderten von dem Foto zu Roger und zurück und zogen unübersehbar Vergleiche. Vetter und Cousine, ja?
»Dann ist Gillian also nicht hier?« Roger hob die Hand, um abzuwinken, als ihm Edgars fragend die Flasche entgegenhielt, doch dann änderte er seine Meinung und nickte. Vielleicht würde er ja Edgars’ Vertrauen erwecken, wenn er etwas mit ihm trank. Wenn Gillian nicht hier war, musste er herausfinden, wo sie war.
Weil er damit beschäftigt war, das Zollsiegel mit den Zähnen zu entfernen, schüttelte Edgars den Kopf, dann nahm er sich vorsichtig das Deckelchen aus Wachs und Papier von der Unterlippe.
»Wohl kaum, Kumpel. Wenn sie hier ist, sieht es hier nicht ganz so schäbig aus.« Eine ausschweifende Geste erfasste die überquellenden Aschenbecher und die umgestürzten Pappbecher. »Fast vielleicht, aber nicht ganz so schlimm.« Er holte drei Weingläser aus dem Geschirrschrank und warf einen skeptischen Blick hinein, als überprüfte er, ob sie staubig waren.
Er schenkte den Whisky mit der übertriebenen Sorgfalt der Betrunkenen ein und trug die Gläser einzeln durch das Zimmer zu seinen Gästen. Brianna nahm das ihre mit derselben Sorgfalt entgegen, wollte aber keinen Stuhl und lehnte sich stattdessen elegant an die Ecke des Porzellanschranks.
Edgars ließ sich schließlich auf das zerschlissene Sofa plumpsen, ohne den Müll zu beachten, und hob sein Glas.
»Prost, Kumpel«, sagte er knapp und trank einen tiefen, schlürfenden Schluck. »Wie war noch dein Name?«, wollte er wissen und tauchte abrupt aus seiner Alkoholseligkeit auf. »Oh, Roger, stimmt ja. Gilly hat nie von dir gesprochen … aber das hat sie ja sowieso nie«, fügte er finster hinzu. »Weiß nichts von ihrer Familie, und sie hat nichts erzählt. Glaube, sie hat sich geschämt … aber so schlimm siehst du doch gar nicht aus«, sagte er großzügig. »Und deine Kleine erst, die kann sich sehen lassen!« Er brüllte vor Lachen und verspritzte Whiskytröpfchen.
»Ja«, sagte Roger. »Danke.« Er nippte an seinem Glas. Brianna wandte Edgars pikiert den Rücken zu und schien den Inhalt des Porzellanschranks durch die Facettenscheiben der Glastüren zu begutachten.
Es schien sinnlos, um den heißen Brei herumzureden, dachte Roger. Edgars hatte ohnehin keinerlei Sinn für Subtilitäten, und angesichts der Geschwindigkeit, mit der seine Zunge schwerer wurde, schien die Gefahr, dass er ohnmächtig wurde, mit jedem Moment zu wachsen.
»Wissen Sie, wo Gillian ist?«, fragte er unverblümt. Es fühlte sich jedes Mal seltsam an, wenn er ihren Namen aussprach. Diesmal musste er unwillkürlich zum Kaminsims aufblicken, wo das Foto heiter über das Gelage hinwegblickte.
Edgars schüttelte den Kopf und ließ ihn langsam über seinem Glas hin- und herschwingen wie ein Ochse über dem Futtertrog. Er war nicht besonders groß und untersetzt, vielleicht in Rogers Alter, doch der dichte, unrasierte Bartwuchs und das unfrisierte schwarze Haar ließen ihn älter wirken.
»Nein«, sagte er. »Dachte, du wüsstest es vielleicht. Wahrscheinlich entweder bei den Nationalen oder den Rosen, aber ich hab den Überblick verloren.«
»Nationale?« Rogers Herzschlag beschleunigte sich. »Sie meinen die schottischen Nationalisten?«
Edgars fielen allmählich die Augen zu, doch er öffnete sie noch einmal.