Brianna, die sich jetzt besser fühlte, begann, über den Hof zu wandern und nach Dingen zu suchen, die ihr vielleicht von Nutzen sein konnten. Es war ein wildes Durcheinander wertvoller Waren – von chinesischen Seidenballen, die in Leinen und Öltuch verpackt waren, und Kisten mit Porzellangeschirr bis hin zu Kupferblechrollen, Brandyfässern, in Stroh verpackten Weinflaschen und kistenweise Tee. Sie öffnete eine dieser Kisten und atmete das sanfte Parfum der Teeblätter ein, das wunderbar beruhigend auf ihre innere Unruhe wirkte. Für eine heiße Tasse Tee hätte sie momentan fast alles gegeben.
Noch interessanter war allerdings eine Reihe kleiner Fässer mit dicken, luftdichten Wänden, die Schießpulver enthielten.
»Hätte ich doch bloß ein paar Streichhölzer«, murmelte sie mit einem sehnsuchtsvollen Blick auf die Fässchen vor sich hin. »Oder auch nur einen Schlagbolzen.« Aber Feuer war Feuer, und in der Küche brannte sicherlich eins. Sie betrachtete nachdenklich das Haus und überlegte, wo sie die Fässer am besten plazierte – doch sie konnte das Haus nicht in die Luft jagen. Nicht, solange sich die anderen Sklaven darin befanden, und nicht, ohne zu wissen, was sie als Nächstes tun würde.
Das Geräusch der Tür, die sich öffnete, schreckte sie auf; als Emmanuel dann den Kopf ins Freie steckte, hatte sie sich schon mit einem Sprung von dem Schießpulver entfernt und untersuchte eine riesige Kiste mit einer Standuhr, deren vergoldetes Ziffernblatt – das mit drei beweglichen Segelschiffen auf einem Meer aus Silber verziert war – hinter den zum Schutz davorgenagelten Latten hervorlugte.
»Du da«, sagte er zu Brianna und ruckte mit dem Kinn. »Komm dich waschen.« Er sah Phaedre scharf an – Brianna merkte, dass sie seinem Blick auswich und hastig anfing, Stöckchen vom Boden aufzulesen.
Die Hand klammerte sich erneut um ihren Nacken, und er schob sie wie einen lästigen Esel zurück ins Haus.
Diesmal
Sie zog das Bett ans Fenster und kniete sich darauf, die Ellbogen zwischen die Gitterstäbe geklemmt. Ihr blieb nichts anderes zu tun, als nachzudenken – etwas, das sie gerne noch ein bisschen aufgeschoben hätte. Sie beobachtete den Wald und den weiter entfernten Strand und verfolgte, wie die Schatten der Krüppelkiefern über den Sand krochen, die älteste Sonnenuhr der Welt, die das schneckengleiche Verstreichen der Stunden registrierte.
Nach einiger Zeit wurden ihre Knie taub, und ihre Ellbogen schmerzten; sie breitete den Umhang über die widerliche Matratze und versuchte, weder die diversen Flecken darauf noch den Geruch zu beachten. Sie legte sich auf die Seite und beobachtete den Himmel durch das Fenster, die fast unmerklichen Veränderungen des Lichtes von einem Moment zum nächsten, und dabei stellte sie sich bis ins Detail die einzelnen Pigmente und die genauen Pinselstriche vor, die sie benutzen würde, um es zu malen. Dann stand sie auf und begann, auf und ab zu schreiten. Dabei zählte sie ihre Schritte und schätzte die Entfernung.
Hoffentlich lag Bonnets Zimmer genau unter ihr.
Doch es war alles nicht genug, und als es dunkler im Zimmer wurde und ihre Berechnungen etwa zwei Meilen erreicht hatten, kam sie an Roger nicht mehr vorbei – sie hatte ihn sowieso schon die ganze Zeit im Kopf gehabt, allerdings seine Gegenwart hartnäckig geleugnet.
Sie ließ sich wieder auf das Bett sinken. Vom Umherwandern war ihr heiß, und sie sah zu, wie die letzten flammenden Farben vom Himmel verschwanden.
War er inzwischen ordiniert, wie er es sich so sehr gewünscht hatte? Er hatte sich Sorgen wegen der Frage der Prädestination gemacht, weil er sich nicht sicher war, das heilige Amt, nach dem er strebte, antreten zu können, wenn er nicht von ganzem Herzen hinter dieser Vorstellung stand – nun,
Ian hatte ihr davon erzählt, wie Crombie allen Ernstes versucht hatte, den Cherokee die Doktrin der Prädestination zu erklären. Die meisten von ihnen hatten ihm höflich zugehört und ihn dann ignoriert. Doch