Die Stimmen fuhren fort, sich zu heben und zu senken, dann und wann zur Betonung unterbrochen von einem lauten Knall, als wäre eine Faust auf einen Tisch oder an eine Wand geknallt. Doch nach ein paar Minuten verstummten die Stimmen, und sie hörte nichts mehr, bis leise Schritte an ihre Tür kamen. Das Schloss klapperte, und Phaedre kam mit einem Essenstablett herein.
Brianna setzte sich hin und versuchte, nicht zu atmen; jeder Geruch von etwas Gebratenem …
»Was ist denn da unten los?«, fragte sie.
Phaedre schnitt eine Grimasse.
»Emmanuel, er ist aufgebracht über die Fulani-Frauen. Die Ibo glauben, dass Zwillinge ein schlechtes Zeichen sind – wenn bei ihnen eine Frau Zwillinge bekommt, setzt sie sie zum Sterben aus. Emmanuel, er möchte die Fulani mit Kapitän Jackson fortschicken, sie so schnell wie möglich aus dem Haus haben. Aber Mr. Bonnet, er sagt, er wartet auf die Herren von den Westindischen Inseln, es bringt ihm mehr Geld.«
»Herren von den Westindischen Inseln – was denn für Herren?«
Phaedre zog die Schultern hoch.
»Ich weiß nicht. Er handelt mit ihnen, glaube ich. Sicher Zuckerpflanzer. Esst das, ich komme gleich wieder.«
Phaedre wandte sich zum Gehen, doch plötzlich rief Brianna ihr nach.
»Warte! Du hast mir gestern gar nicht gesagt – wer hat dich aus River Run fortgebracht?«
Die junge Frau wandte sich mit widerstrebender Miene wieder um.
»Mr. Ulysses.«
»Ulysses?«, fragte Brianna ungläubig nach. Phaedre hörte den Zweifel in ihrer Stimme und warf ihr einen wütenden Blick zu.
»Was, glaubt Ihr mir nicht?«
»Doch, doch«, versicherte Brianna ihr hastig. »Ich glaube Euch. Nur – warum?«
Phaedre holte tief durch die Nase Luft.
»Weil ich ein verdammter Dummkopf bin«, sagte sie bitter. »Meine Mama hat es mir gesagt, sie hat gesagt, leg dich nie, niemals mit Ulysses an. Aber habe ich auf sie gehört?«
»Mit Ulysses«, sagte Brianna perplex. »Wie hast du dich denn mit ihm angelegt?« Sie wies auf das Bett und lud Phaedre ein, sich hinzusetzen. Die junge Frau zögerte einen Moment, doch dann setzte sie sich und strich sich unablässig über das weiße Tuch auf ihrem Kopf, während sie nach Worten suchte.
»Mr. Duncan«, sagte sie schließlich, und ihr Gesicht erhellte sich ein wenig. »Er ist so ein liebenswürdiger Mensch. Wisst Ihr, dass er noch nie mit einer Frau geschlafen hatte? Als Junge hat ihn ein Pferd getreten, er dachte, er kann es nicht.«
Brianna nickte; ihre Mutter hatte ihr von Duncans Problem erzählt.
»Nun ja«, sagte Phaedre mit einem Seufzer. »Da hat er sich geirrt.« Sie musterte Brianna argwöhnisch, um zu prüfen, wie sie dieses Geständnis wohl aufnehmen würde. »Er hatte nichts Böses im Sinn und ich auch nicht. Es ist einfach – passiert.« Sie zuckte mit den Achseln. »Aber Ulysses, er hat es herausgefunden; früher oder später bekommt er
»Aber das hast du nicht getan?«, riet Brianna.
Phaedre schüttelte langsam den Kopf und presste die Lippen zusammen.
»Ich habe ihm gesagt, ich höre auf, wenn Mr. Duncan es nicht mehr will – dass es nicht
»Dann hat er dich – fortgebracht – verkauft? –, damit du nicht mehr mit Duncan schlafen kannst?« Warum sollte ihn das interessieren?, fragte sie sich. Hatte er Angst, dass Jocasta dahinterkommen und sich verletzt fühlen würde?
»Nein. Er hat mich verkauft, weil ich ihm gesagt habe, wenn er mich und Mr. Duncan nicht in Ruhe lässt, verrate ich das mit ihm und Miss Jo.«
»Ihm und …« Brianna kniff die Augen zu. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Phaedre sah sie mit einem kleinen, ironischen Lächeln an.
»Er teilt seit zwanzig Jahren Miss Jos Bett. Schon bevor der alte Master gestorben ist, hat meine Mama gesagt. Alle Sklaven dort wissen es, aber keiner ist so dumm, es ihm ins Gesicht zu sagen, nur ich.«
Brianna wusste, dass ihr Mund offen stand wie bei einem Goldfisch, aber sie konnte es nicht ändern. Hundert winzige Details, die sie auf River Run beobachtet hatte, Myriaden kleiner Intimitäten zwischen ihrer Tante und ihrem Butler, nahmen plötzlich eine neue Bedeutung an. Kein Wunder, dass ihre Tante alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um ihn nach Leutnant Wolffs Tod zurückzubekommen. Und genauso wenig war es ein Wunder, dass Ulysses ohne Umschweife zur Tat geschritten war. Ob man Phaedre geglaubt hätte oder nicht; die bloße Beschuldigung wäre sein Ende gewesen.
Phaedre seufzte und rieb sich das Gesicht.