»O Himmel«, murmelte Jamie so leise, dass ich ihn kaum hören konnte. »Die armen Narren. Die armen, tapferen, kleinen Narren.«
Die Situation verschlimmerte – oder verbesserte, je nach Standpunkt – sich noch, als es dämmerte. Die Temperaturen waren nach dem Eissturm gestiegen, doch der Boden war durchnässt; im Lauf des Tages stieg Feuchtigkeit daraus auf und kondensierte bei Anbruch der Nacht zu so dichtem Nebel, dass selbst die Lagerfeuer kaum noch zu sehen waren, die wie schwelende Kohlen im Nebel glühten.
Aufregung steckte die Miliz an wie ein von Moskitos übertragenes Fieber, als aufgrund der neuen Bedingungen neue Pläne geschmiedet wurden.
»Jetzt«, sagte Ian, der wie ein Geist neben Jamie aus dem Nebel auftauchte. »Caswell ist so weit.«
Unsere wenigen Vorräte waren bereits gepackt, und mit Gewehren, Pulver und Lebensmitteln beladen, stahlen sich achthundert Mann und eine unbekannte Zahl von Zivilpersonen wie ich selbst leise durch den Nebel auf die Brücke zu. Die Lagerfeuer ließen wir hinter uns brennen.
Ich war mir nicht ganz sicher, wo sich MacDonalds Truppen jetzt befanden – möglich, dass sie noch auf der Wagenstraße unterwegs waren oder dass sie vorsichtig davon abgewichen waren und sich jetzt dem Rand des Sumpfes näherten, um ihn auszukundschaften. In diesem Fall wünschte ich ihnen viel Glück. Auch ich war bis ins Innerste angespannt, als ich behutsam über die Brücke ging; es war unsinnig, auf Zehenspitzen zu gehen, doch es widerstrebte mir, die Füße fest aufzusetzen – der Nebel und die Stille schienen zur Heimlichkeit aufzurufen.
Ich stieß mit dem Zeh an eine unebene Planke und stolperte vorwärts, doch Roger, der neben mir ging, fasste mich am Arm und richtete mich auf. Ich drückte ihm den Arm, und er lächelte schwach, sein Gesicht im Nebel kaum sichtbar, obwohl er nicht mehr als dreißig Zentimeter von mir entfernt war.
Er wusste genauso gut wie Jamie und die anderen, was auf uns zukam. Dennoch spürte ich, dass er sehr aufgeregt war – und von Schrecken erfüllt. Es würde schließlich seine erste Schlacht werden.
Auf der anderen Seite verteilten wir uns, um auf dem Hügel oberhalb des halbkreisförmigen Erdwalls, den die Männer hundert Meter vom Bach entfernt aufgeworfen hatten, ein neues Lager aufzuschlagen. Ich kam so dicht an den Kanonen vorbei, dass ich ihre langen Nasen sehen konnte, die vorwitzig in den Nebel ragten: Mutter Covington und ihre Tochter, so nannten die Männer die beiden Kanonen – ich fragte mich müßig, welche wohl welche war und wer zum Teufel die richtige Mutter Covington gewesen sein könnte. Wahrscheinlich eine respekteinflößende Lady – oder vielleicht ja die Betreiberin des örtlichen Bordells.
Brennholz war leicht zu finden; der Eissturm hatte auch vor den Kiefern am Bach nicht haltgemacht. Allerdings war es verdammt feucht, und ich hatte nicht vor, eine Stunde mit einer Zunderbüchse auf den Knien zu verbringen. Zum Glück konnte in dieser Suppe ja niemand sehen, was ich tat, und so zog ich heimlich eine kleine Dose mit Briannas Streichhölzern aus meiner Tasche.
Während ich auf das Holz blies, hörte ich eine Reihe seltsamer, durchdringender Kreischgeräusche von der Brücke kommen und kniete mich aufrecht hin, um den Hügel hinunterzustarren. Ich konnte natürlich nichts sehen, begriff aber beinahe sofort, dass es das Geräusch nachgebender Nägel war, als die Planken ausgehebelt wurden – sie waren dabei, die Brücke zu demontieren.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Jamie zu mir kam. Er wollte nichts essen, setzte sich aber an einen Baum und winkte mich zu sich. Ich setzte mich zwischen seine Knie und lehnte mich an ihn, dankbar für seine Wärme: Die Nacht war kalt, und die Feuchtigkeit kroch in jede Ritze und ließ das Knochenmark gefrieren.
»Sie werden doch wohl sehen, dass die Brücke nicht mehr da ist?«, sagte ich nach langem Schweigen, das von den tausend Geräuschen der Männer erfüllt war, die unter uns am Werk waren.
»Nicht, wenn der Nebel bis zum Morgen hält – und das wird er.« Jamie klang resigniert, doch er kam mir friedvoller vor als vorhin.
Wir saßen eine Weile still zusammen und sahen dem Spiel der Flammen im Nebel zu – ein gespenstischer Anblick, da das schimmernde Feuer mit dem Nebel zu verschmelzen schien, so dass sich die Flammen immer höher reckten, bevor sie in dem wirbelnden Weiß verschwanden.