»Sie sind völlig aus ihrem Element gerissen«, erklärte Roger und hielt Duncan sein Glas hin, als ihm dieser anbot, es erneut zu füllen. »Die Frauen haben Todesangst, und die Männer genauso, aber sie verheimlichen es besser. Man könnte meinen, ich würde sie alle als Sklaven auf eine Zuckerplantage verschleppen.«
Duncan nickte.
»Oder sie nach Rom verkaufen als Schuhputzer für den Papst«, sagte er ironisch. »Ich glaube nicht, dass einer von ihnen vor ihrer Überfahrt je einen Katholiken auch nur gerochen hat. Und so, wie sie die Nasen rümpfen, gefällt ihnen der Geruch jetzt auch nicht besonders. Ob sie wenigstens dann und wann einen Schluck trinken?«
»Nur aus medizinischen Gründen und auch dann nur bei akuter Lebensgefahr, glaube ich.« Roger trank genüsslich einen Schluck seines Nektars und schloss die Augen, während ihm der Whisky die Kehle wärmte und sich in seiner Brust einrollte wie eine schnurrende Katze. »Ihr habt Hiram doch kennengelernt. Oder? Hiram Crombie, ihren Anführer?«
»Den alten Sauertopf, der einen Stock verschluckt hat? Aye, das habe ich.« Duncan grinste, und die Enden seines langen Schnurrbarts zuckten. »Er kommt gleich zum Abendessen. Trinkt am besten noch einen.«
»Gern, danke«, sagte Roger und streckte die Hand mit seinem Glas aus. »Obwohl keiner von ihnen viel für hedonistische Vergnügungen übrighat, soweit ich das beurteilen kann. Man hat das Gefühl, dass sie nach wie vor durch und durch Covenanter sind. Die ewigen Auserwählten, aye?«
Bei diesen Worten lachte Duncan hemmungslos.
»Nun, es ist nicht mehr ganz so schlimm wie zu Großvaters Zeiten«, sagte er, als er sich wieder erholt hatte, und griff nach dem Dekanter. »Gott sei Dank.« Er verdrehte die Augen und verzog das Gesicht.
»Dann war Euer Großvater Covenanter?«
»Gott, ja.« Kopfschüttelnd schenkte Duncan erst Roger, dann sich selbst großzügig nach. »Ein fanatischer alter Kerl. Nicht, dass er keinen Grund dazu hatte. Man hat seine Schwester am Strand ersäuft, wisst Ihr?«
»Am Strand … Himmel.« Er biss sich zur Strafe auf die Zunge, war aber zu neugierig, um weiter darauf zu achten. »Ihr meint – hingerichtet durch Ertränken?«
Duncan nickte, den Blick auf sein Glas gerichtet, dann nahm er einen guten Schluck und behielt ihn kurz im Mund, bevor er schluckte.
»Margaret«, sagte er. »Ihr Name war Margaret. Achtzehn war sie damals. Ihr Vater und ihr Bruder – mein Großvater, aye? –, sie waren geflüchtet, nach der Schlacht von Dunbar, und hatten sich in den Bergen versteckt. Die Soldaten haben Jagd auf sie gemacht, aber sie hat nicht verraten, wohin sie gegangen waren, und sie hatte eine Bibel dabei. Dann wollten sie sie zwingen, ihrem Glauben abzuschwören, aber sie hat sich weiter geweigert – man kann genauso gut auf einen Stein einreden wie auf die Frauen dieser Seite der Familie«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Sie lassen sich nicht erweichen. Die Soldaten haben sie an den Strand gezerrt, sie und eine alte Covenanterfrau aus dem Dorf, ihnen die Kleider vom Leib gerissen und sie beide an der Wasserlinie an Pfähle gefesselt. Und dann haben alle dort gewartet, bis das Wasser kam.«
Er trank noch einen Schluck, ohne sein Aroma abzuwarten.
»Die Alte ist zuerst verschwunden; sie hatten sie näher am Wasser festgemacht – wahrscheinlich dachten sie, Margaret würde aufgeben, wenn sie die Alte sterben sah.« Er grunzte und schüttelte den Kopf. »Aber nein, nichts dergleichen. Die Flut ist immer höher gestiegen, und die Wellen sind über sie hinweggeschlagen. Sie hat Wasser geschluckt und gehustet, und immer, wenn die Wellen zurückfluteten, klebte ihr das lose Haar im Gesicht wie Tang. Meine Mutter war dabei«, erklärte er und hob sein Glas. »Sie war damals erst sieben, aber sie hat es nie vergessen. Nach der ersten Welle, hat sie gesagt, war noch Zeit für drei Atemzüge, dann ist die Welle wieder über Margaret hinweggespült. Dann wieder aufs Meer hinaus … drei Atemzüge … und dann wieder inland. Und dann konnte man nichts mehr sehen außer ihrem Haar, das auf der Flut trieb.«
Er hob sein Glas noch etwas höher, und Roger hob das seine unwillkürlich zum Salut. »Jesus«, sagte er, und es war keine Gotteslästerung.
Der Whisky brannte ihm in der Kehle, während er hindurchrann, und er atmete tief durch und dankte Gott für das Geschenk der Luft. Drei Atemzüge. Es war ein Single Malt aus Islay, und der Jodgeschmack von See und Tang hing kräftig und rauchig in seinen Lungen.
»Möge Gott ihr Frieden schenken«, sagte er mit rauher Stimme.
Duncan nickte und griff erneut nach dem Dekanter.
»Ich denke, das hat sie sich verdient«, sagte er. »Obwohl sie –«, er wies mit dem Kinn in Richtung der Wiese, »sie haben gesagt, sie hatte gar nichts damit zu tun; Gott hat sie für die Erlösung auserwählt und die Engländer zur Verdammnis, und damit war die Sache erledigt.«