»Ja, genau. Er hat gesagt, nur einem absoluten Schuft würde es auch nur im Traum einfallen, eine schwangere, praktisch mittellose Frau im Stich zu lassen. Schon gar nicht eine Frau, deren Realitätsempfinden ein wenig zu schwach zu sein schien«, fügte sie sarkastisch hinzu. »Ich war zwar nicht völlig mittellos – mein Onkel Lamb hatte mir etwas Geld hinterlassen –, aber Frank war auch kein Schuft.« Ihr Blick wanderte zu den Büchern ihres Mannes hinüber, deren Rücken im Licht der Schreibtischlampe glänzten.
»Er war ein sehr anständiger Mann«, sagte sie leise. Sie trank noch einen Schluck und schloss die Augen, um sich die Alkoholdämpfe in die Nase steigen zu lassen.
»Außerdem – hat er gewusst oder zumindest vermutet, dass er selbst keine Kinder zeugen konnte. Ein ziemlicher Schlag für einen Mann mit einer solchen Leidenschaft für Geschichte und Ahnenkunde. All diese dynastischen Studien …«
»Ja, ich verstehe«, sagte Roger langsam. »Aber fühlte er sich nicht … ich meine, das Kind eines anderen?«
»Möglich wäre es gewesen.« Die Bernsteinaugen hatten sich wieder auf ihn gerichtet, ihre Klarheit sacht gedämpft durch Whisky und Nostalgie. »So jedoch … Da er nichts von dem geglaubt hat – glauben konnte –, was ich ihm über Jamie erzählt habe, war der Vater des Babys im Prinzip unbekannt. Wenn er nicht wusste, wer der Mann war – und sich einredete, dass ich es eigentlich auch nicht wusste, sondern mir nur aufgrund eines traumatischen Schocks etwas zurechtgesponnen hatte –, nun, dann würde auch niemand je sagen, dass das Kind nicht von ihm war. Ich jedenfalls bestimmt nicht«, fügte sie mit einer Spur von Bitterkeit hinzu.
Sie trank einen großen Schluck Whisky, der ihr die Augen tränen ließ, und hielt einen Moment inne, um sich mit der Hand darüberzufahren.
»Aber um ganz sicherzugehen, hat er mich weit fortgebracht. Nach Boston«, fuhr sie fort. »Man hatte ihm eine gute Stelle in Harvard angeboten, und dort kannte uns niemand. Da ist Brianna zur Welt gekommen.«
Das klägliche Weinen weckte mich erneut. Ich war um halb sieben wieder ins Bett gegangen, nachdem ich im Lauf der Nacht fünfmal wegen des Babys aufgestanden war. Ein verschwommener Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es jetzt sieben Uhr war. Aus dem Bad kam fröhlicher Gesang, Franks Stimme, die das Geräusch des laufenden Wassers mit »Rule, Britannia« übertönte.
Ich lag halb gelähmt vor Erschöpfung im Bett und fragte mich, ob ich wohl die Kraft hatte, das Weinen zu ertragen, bis Frank aus der Dusche kam und mir Brianna bringen konnte. Als ob das Baby wüsste, was ich dachte, hob sich das Weinen um zwei oder drei Tonlagen und artete in eine Art periodisches Kreischen aus, das durch beängstigend krampfhaftes Luftholen unterbrochen wurde. Ich warf die Bettdecke zurück und war auf den Beinen, getrieben durch dieselbe Art von Panik, mit der ich im Krieg auf Luftangriffe reagiert hatte.
Ich wankte durch den kalten Flur ins Kinderzimmer, wo ich Brianna, die jetzt drei Monate war, auf dem Rücken fand, während sie sich die Kehle aus dem kleinen Körper brüllte. Ich war so benommen vor Schlafmangel, dass es einen Moment dauerte, bis ich begriff, dass ich sie auf dem Bauch schlafen gelegt hatte.
»Schätzchen! Du hast dich umgedreht! Ganz alleine!« Voller Angst vor der eigenen Courage fuchtelte Brianna mit ihren roten Fäustchen und kreischte noch lauter, die Augen fest geschlossen.
Ich nahm sie hoch, tätschelte ihr den Rücken und murmelte in den roten Flaum auf ihrem Köpfchen.
»Oh, du großer Schatz! Was für ein kluges Mädchen du bist!«
»Was ist? Was ist passiert?« Frank kam aus dem Bad und rubbelte sich den Kopf trocken, ein zweites Handtuch um die Hüfte geschlungen. »Ist etwas mit Brianna?«
Er kam mit besorgter Miene auf uns zu. Je näher die Geburt rückte, desto nervöser waren wir beide geworden; Frank gereizt und ich von Angst erfüllt, da wir nicht die geringste Ahnung hatten, was mit dem Auftauchen von Jamie Frasers Kind zwischen uns geschehen würde. Doch als die Schwester Brianna aus ihrem Bettchen genommen und sie Frank mit den Worten »Hier ist Papas kleines Mädchen« gereicht hatte, hatte seine Miene jeden Ausdruck verloren und sich dann – als er ihr Gesichtchen ansah, perfekt wie eine Rosenknospe – mit Staunen erfüllt. Innerhalb einer Woche war er ihr mit Leib und Seele verfallen.
Ich wandte mich ihm zu und lächelte. »Sie hat sich umgedreht! Ganz allein!«
»Wirklich?« Sein frottiertes Gesicht strahlte. »Ist das nicht ziemlich früh?«
»So ist es. Bei Dr. Spock steht, dass es mindestens noch einen Monat dauern sollte, bis sie das kann.«
»Tja, was weiß Dr. Spock schon? Komm her, du hübsches Ding, gib Papa einen Kuss, du kleines Streberkind.« Er hob das weiche Körperchen mit dem rosa Strampler auf und küsste ihre Stupsnase. Brianna nieste, und wir lachten beide.
Ich hielt inne, denn plötzlich wurde mir bewusst, dass es seit fast einem Jahr das erste Mal war, dass ich lachte. Mehr noch, das erste Mal, dass ich mit Frank gemeinsam lachte.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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