Jenny schüttelte den Kopf und trug eine abgedeckte Form herbei, die sie vor ihn hinstellte. Der kräftige warme Duft der Rebhuhnpastete stieg aus der durchstochenen Kruste auf und ließ ihm das Wasser so heftig im Mund zusammenlaufen, dass er schlucken musste, ehe er sprechen konnte.
»Kein Grund zur Aufregung«, sagte Jenny und löffelte ihm Pastete auf den Teller. Ihre Stimme war ruhig, doch die kleine senkrechte Falte zwischen ihren Augenbrauen vertiefte sich. »Ich habe Fergus hinterhergeschickt, um ihnen die Übertragungsurkunde und Ians Entlassungsbrief aus dem Regiment zu zeigen. Sie schicken ihn wieder heim, sobald sie begreifen, dass er nicht der Herr von Lallybroch ist und sie nichts davon haben, ihn zu schikanieren.« Mit einem Blick auf ihren Sohn griff sie nach dem Alekrug. »Sie können ja gern versuchen zu beweisen, dass der Kleine ein Verräter ist.«
Ihre Stimme klang zwar grimmig, jedoch mit einem Unterton der Genugtuung bei dem Gedanken daran, den englischen Gerichtshof zu verwirren. Die regenfleckige Übertragungsurkunde, die der Beweis dafür war, dass der ältere James die Besitzrechte Lallybrochs an den jüngeren übertragen hatte, war schon öfter vor Gericht in Erscheinung getreten und hatte jedes Mal den Versuch der Krone vereitelt, das Anwesen als Eigentum eines jakobitischen Verräters zu konfiszieren.
Er konnte spüren, wie es wieder von ihm abfiel, wenn er ging – dieses dünne Furnier der Menschlichkeit –, und mit jedem Schritt fort vom Haus ein wenig mehr davon verschwand. Manchmal hielt er die Illusion von Wärme und Familie den ganzen Weg bis zu der Höhle aufrecht, die sein Versteck war; meistens jedoch verschwand sie beinahe auf der Stelle, fortgerissen vom kalten Wind, der nach Brandgeruch stank.
Die Engländer hatten unterhalb des hochgelegenen Feldes drei Katen niedergebrannt. Hatten Hugh Kirby und Geoff Murray von ihren Kaminfeuern fortgezerrt und sie auf der eigenen Schwelle erschossen, ohne ihnen eine Frage zu stellen oder sie mit einem Wort anzuklagen. Der junge Joe Fraser war entwischt, gewarnt von seiner Frau, die die Engländer kommen gesehen hatte, und hatte drei Wochen bei Jamie in der Höhle gelebt, bis die Soldaten wieder fort waren – und Ian mit ihnen.
Im Oktober waren es die älteren Jungen gewesen, mit denen er gesprochen hatte; Fergus, der Franzosenjunge, den er aus einem Pariser Bordell mitgenommen hatte, und Rabbie MacNab, der Sohn der Küchenmagd, Fergus’ bester Freund.
Langsam hatte er sich das Rasiermesser über Wange und Kinn gezogen und die eingeseifte Klinge dann am Rand der Schüssel abgewischt. Aus dem Augenwinkel erhaschte er einen Hauch von neiderfüllter Faszination in Rabbie MacNabs Gesicht. Als er sich ein wenig drehte, sah er, dass ihn die Jungen – Rabbie, Fergus und Jamie junior – alle drei so gebannt beobachteten, dass ihnen die Münder offen standen.
»Habt ihr noch nie einen Mann gesehen, der sich rasiert?«, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Rabbie und Fergus sahen einander an, überließen es aber Jamie, der zumindest auf dem Papier der Gutsherr war, zu antworten.
»Oh, nun ja … aye, Onkel Jamie«, sagte dieser und errötete. »Aber … ich m-meine«, er stotterte ein wenig und errötete noch tiefer, »mein Pa ist doch nicht da, und selbst wenn er zu Hause ist, sehen wir ja nicht immer, wenn er sich rasiert, und, nun ja, du hast einfach
Ganz plötzlich wurde Jamie klar, dass er den Jungen wie eine höchst romantische Gestalt vorkommen musste. Er lebte allein in einer Höhle, kam in der Dunkelheit zum Jagen hervor, begab sich bei Nacht und Nebel hinunter zum Haus, schmutzig und zerzaust und voll wilder roter Barthaare – ja, in ihrem Alter kam es ihnen wahrscheinlich wie ein glanzvolles Abenteuer vor, vogelfrei zu sein und sich in der Heide zu verbergen, in einer engen, feuchten Höhle. Mit fünfzehn, sechzehn und zehn hatten sie keine Ahnung von Schuldgefühlen oder bitterer Einsamkeit, vom Gewicht der Verantwortung, das er nicht erleichtern konnte, zur Untätigkeit verdammt.
Angst mochten sie vielleicht verstehen. Angst vor der Gefangennahme, Angst vor dem Tod. Doch nicht die Angst vor dem Alleinsein, vor seiner eigenen Natur, vor dem Irrsinn. Nicht die fortwährende, chronische Angst vor dem, was seine Gegenwart ihnen antun konnte – wenn sie überhaupt über dieses Risiko nachdachten, hatten sie nicht mehr als ein Schulterzucken dafür übrig, weil sie davon ausgingen, unsterblich zu sein, wie es das gute Recht der Jugend war.
»Aye, nun ja«, hatte er gesagt und sich beiläufig wieder dem Spiegel zugewandt, als der kleine Jamie stotternd innehielt. »Männer werden geboren, um Leid und Bartstoppeln zu ertragen. Eine von Adams Plagen.«
»Adam?« Fergus sah unverhohlen verwundert aus, während die anderen versuchten, sich den Anschein zu geben, als wüssten sie, wovon Jamie sprach. Als Franzose erwartete man von Fergus nicht, dass er alles wusste.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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