Es war ein kleiner Hirsch, obwohl sich sein Geweih bereits verzweigte. Mit etwas Glück war er imstande, ihn allein zu tragen, statt ihn den Füchsen und Dachsen zu überlassen, bis er Hilfe holen konnte. Er duckte sich mit der Schulter unter ein Bein, dann erhob er sich langsam und ächzte vor Anstrengung, während er sich die Last quer über den Rücken hievte, um sie besser tragen zu können.
Der Mond warf seinen Schatten auf einen Felsen, ein buckeliges Fabelwesen auf dem beschwerlichen Weg bergab. Das Hirschgeweih ragte ihm über die Schulter und verlieh seinem Schatten Ähnlichkeit mit einem gehörnten Mann. Er erschauerte sacht bei dem Gedanken, denn er musste an die Geschichten denken, in denen am Hexensabbat der Gehörnte kam, um das geopferte Ziegen- oder Hahnenblut zu trinken.
Ihm war ein wenig mulmig und mehr als ein wenig trunken zumute. Mehr und mehr fühlte er sich desorientiert, spürte er, wie er am Tag ein anderer war als in der Nacht. Am Tag war er ein Geschöpf des Verstandes, weil er der Untätigkeit in seinem feuchten Versteck entrann, indem er sich hartnäckig und diszipliniert in die Welt der Gedanken und der Meditation begab und Zuflucht in den Seiten der Bücher suchte. Doch mit dem Aufgang des Mondes floh die Vernunft und wich dem reinen Empfinden, wenn er wie ein Tier aus seinem Bau an die frische Luft stieg, um unter den Sternen über die dunklen Hügel zu laufen und zu jagen, getrieben vom Hunger, von Blut und Mondschein berauscht.
Sein Blick war im Gehen auf den Boden gerichtet, seine Nachtsicht so gut, dass er trotz der schweren Last nicht stolperte. Der Hirsch war schlaff und erkaltete bereits; der starre, weiche Pelz kratzte ihn im Nacken, und sein eigener Schweiß kühlte sich im Windhauch ab, als teilte er das Schicksal seiner Beute.
Erst als die Lichter von Lallybroch in Sicht kamen, spürte er endlich, wie sich der Mantel der Menschlichkeit um ihn legte und sich Verstand und Körper wieder zusammenfügten, und er machte sich bereit, seine Familie zu begrüßen.
Kapitel 5
Ein Kind ist uns geboren
Drei Wochen später hatte er immer noch kein Wort von Ians Rückkehr gehört. Eigentlich sogar überhaupt kein Wort. Fergus war seit Tagen nicht mehr in der Höhle gewesen, und Jamie war außer sich vor Sorge über den Stand der Dinge im Haus. Der Hirsch, den er erlegt hatte, würde auf jeden Fall längst verzehrt sein, denn es gab so viele zusätzliche Mäuler zu stopfen, und der Gemüsegarten würde um diese Jahreszeit nur herzlich wenig hergeben.
Seine Sorge war so groß, dass er einen verfrühten Besuch riskierte, seine Schlingen kontrollierte und kurz vor Sonnenuntergang den Hügel hinunterstieg. Vorsichtshalber setzte er die aus graubrauner Wolle gestrickte Mütze auf, die sein Haar vor jedem verräterischen Sonnenstrahl verbarg. Seine Körpergröße allein mochte zwar Argwohn erregen, aber ohne Gewissheit, und er hatte volles Vertrauen, dass ihn seine Beine aus der Gefahrenzone tragen würden, sollte er das Pech haben, einer englischen Patrouille zu begegnen. Mit etwas Vorwarnung hatte ein Hase in der Heide gegen Jamie Fraser keine Chance.
Das Haus war seltsam still, als er näher kam. Der übliche Lärm der Kinder fehlte: Jennys fünf und die sechs Pächterkinder, ganz zu schweigen von Fergus und Rabbie MacNab, die noch lange nicht zu alt waren, um sich gegenseitig mit Gebrüll rings um die Stallungen zu jagen.
Kurz vor der Küchentür blieb er stehen, denn das Haus fühlte sich merkwürdig leer an. Er stand im Flur der Hintertür, auf der einen Seite die Vorratskammer, auf der anderen die Kräuterkammer, dahinter die eigentliche Küche. Er stand reglos da und ließ all seine Sinne schweifen, lauschte, während er die überwältigenden Gerüche des Hauses einatmete. Nein, es war jemand da; erst hörte er leises Schaben, gefolgt von schwachem, rhythmischem Klirren auf der anderen Seite der mit Stoff gepolsterten Tür, die verhinderte, dass die Wärme der Küche in die kühle Vorratskammer drang.
Es war ein beruhigend häusliches Geräusch, also öffnete er vorsichtig, aber ohne übertriebene Angst die Tür. Seine Schwester Jenny stand hochschwanger am Tisch und rührte in einer gelben Schüssel.
»Was machst du denn hier? Wo ist Mrs. Coker?«
Seine Schwester schrie erschrocken auf und ließ den Löffel fallen.
»Jamie!« Mit bleichem Gesicht presste sie sich die Hand auf die Brust und schloss die Augen. »Himmel. Du hast mich zu Tode erschreckt.« Sie öffnete die Augen, dunkelblau wie die seinen, und warf ihm einen durchdringenden Blick zu. »Und was im Namen der Heiligen Mutter machst du jetzt schon hier? Ich hatte frühestens in einer Woche mit dir gerechnet.«
»Fergus ist schon länger nicht mehr auf den Hügel gekommen; ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte er schlicht.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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