Gott sei Dank regnete es nicht; im Prasseln der Regentropfen war es unmöglich, etwas zu hören, und der durchdringende Geruch nasser Pflanzen überdeckte den Geruch der Tiere. Seine Nase war in den langen Monaten seines Lebens im Freien so empfindlich geworden, dass es beinahe schmerzte; die Gerüche des Hauses warfen ihn manchmal beinahe zu Boden, wenn er eintrat.
Er war noch etwas zu weit entfernt, um den Moschus des Hirschs zu riechen, doch er hörte das verräterische Rascheln, als das Tier zusammenfuhr, weil es
So langsam er konnte, wandte er sich der Stelle zu, an der ihm seine Ohren den Hirsch verraten hatten. Er hatte den Bogen in der Hand, den Pfeil an der Sehne bereit. Er würde einen Schuss haben – vielleicht –, wenn der Hirsch davonstürmte.
Ja, da! Das Herz hüpfte ihm in die Kehle, als er das Geweih scharf und schwarz aus dem Ginster hervorstechen sah. Er zwang sich zur Ruhe, holte tief Luft und trat einen einzigen Schritt vor.
Meistens bekam man einen Schreck, wenn man auf der Pirsch war und ein Hirsch oder Reh lautstark die Flucht ergriff. Doch der Mann, der hier auf der Pirsch war, war vorbereitet. Er schrak weder zusammen, noch setzte er zur Verfolgung an, sondern blieb, wo er war, und sein Blick folgte entlang des Pfeilschaftes dem Weg des springenden Tiers, passte den rechten Moment ab, wartete, und dann peitschte ihm die Bogensehne schmerzhaft gegen das Handgelenk.
Es war ein sauberer Schuss direkt hinter die Schulter, und das war auch gut so; er bezweifelte, dass er die Kraft hatte, einen ausgewachsenen Hirsch zu stellen, wenn dieser flüchtete. Das Tier war an eine freie Stelle hinter einem Ginstergebüsch gefallen, hatte die Beine stocksteif in die Luft gestreckt, auf jene seltsam hilflose Weise, wie es sterbende Huftiere oftmals tun. Der Vollmond spiegelte sich in seinem Auge, so dass sein dunkler, sanfter Blick verborgen war, das Mysterium des Sterbens unter blankem Silber abgeschirmt.
Er zog den Dolch aus seinem Gürtel und kniete sich neben das Tier, während er hastig die Worte des Grallochgebetes sprach. Der alte John Murray, Ians Vater, hatte es ihn gelehrt. Sein eigener Vater hatte den Mund verzogen, als er davon hörte, woraus er schloss, dass dieses Gebet möglicherweise nicht an denselben Gott gerichtet war, zu dem sie sonntags in der Kirche sprachen. Doch sein Vater hatte nichts gesagt, und so hatte er die Worte gemurmelt und dabei kaum Notiz davon genommen, was er sagte, zu nervös und aufgeregt war er, als er Johns Hand in aller Ruhe auf der seinen spürte und die Messerklinge zum ersten Mal in pelzige Haut und dampfendes Gewebe niederpresste.
Jetzt war er längst erfahren und geübt und schob mit der einen Hand die klebrige Nase zurück, um dem Hirsch mit der anderen die Kehle durchzuschneiden.
Das Blut ergoss sich heiß über Messer und Hand, pulsierte zwei- oder dreimal, dann erstarb der Strahl zu einem ruhigen Strom, und der Kadaver blutete durch die durchtrennten Halsschlagadern aus. Hätte er innegehalten, um nachzudenken, hätte er es vielleicht nicht getan, doch Hunger und Schwindelgefühl und die berauschende Kälte der Nacht hatten ihn weit über den Punkt hinausgetragen, an dem er noch nachdachte. Er hielt die Hände wie einen Becher unter den fließenden Strom und führte sie dampfend an seinen Mund.
Der Mond schien schwarz auf seine gewölbten, überquellenden Hände, und es war, als absorbierte er die Essenz des Tiers, statt nur zu trinken. Der Geschmack des Blutes war voll Salz und Silber; es war so warm wie er. Er musste sich nicht an heiß oder kalt gewöhnen, als er trank, er spürte nur den kräftigen Geschmack in seinem Mund, den schwindelerregenden Geruch nach heißem Metall und sein plötzliches Magenknurren angesichts der nahen Nahrung.
Er schloss die Augen und atmete, und die kalte feuchte Luft kam zurück und drängte sich zwischen den scharfen Geruch des Kadavers und seine Sinne. Er schluckte, dann wischte er sich mit dem Handrücken über das Gesicht, säuberte sich die Hände im Gras und machte sich ans Werk.
Erst der plötzliche Kraftakt, den schlaffen, schweren Kadaver zu bewegen, dann der Gralloch, der lange Schnitt, der so viel Stärke wie Feingefühl erforderte und die Haut zwischen den Beinen auftrennte, ohne den Sack mit den Eingeweiden zu durchbohren. Er schob die Hände in den Kadaver, ein heißes, feuchtes Gefühl der Enge, dann noch einmal kräftig gezogen, und er hielt den glatten Sack in den Händen, der im Mondschein glänzte. Ein Schnitt am oberen und einer am unteren Ende, und die Masse rutschte heraus, ein Moment der schwarzen Magie, der ein Tier in Fleisch verwandelte.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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