»Nein, mit ›meistens‹ habe ich gemeint, den Geschichten nach. Geschichten über Menschen, die in Feenringen und Steinkreisen verschwinden, meine ich. Normalerweise gehen sie um die Zeit des Beltane- oder Samhainfestes; manchmal auch zu den Feuerfesten – Mittsommer oder die Wintersonnenwende.«
»Daher die Liste!«, sagte ich plötzlich, denn ich musste an das graue Notizbuch denken, das ich Roger Wakefield dagelassen hatte. »Du hattest eine Liste mit Daten und Initialen – fast zweihundert Stück. Ich wusste nicht, was es war, aber ich habe gesehen, dass es meistens Daten Ende April oder Anfang Mai waren oder gegen Ende Oktober.«
»Aye, das stimmt.« Sie nickte, ohne den nachdenklichen Blick von mir abzuwenden. »Ihr habt also mein Büchlein gefunden? Hat dich das auf die Idee gebracht, auf dem Craigh na Dun nach mir zu suchen? Das
»Gillian«, sagte ich und sah, wie sich beim Klang des Namens, der einmal der ihre gewesen war, ihre Pupillen weiteten, obwohl sich in ihrem Gesicht ansonsten nichts regte. »Gillian Edgars. Ja, das war ich. Ich wusste nicht, ob du mich in der Dunkelheit gesehen hast.« In meiner Erinnerung konnte ich den nachtschwarzen Steinkreis sehen – und in der Mitte das lodernde Feuer und die Gestalt einer schlanken jungen Frau, deren blondes Haar in der Hitze der Flammen wehte.
»Ich habe dich nicht gesehen«, sagte sie. »Mir ist erst später der Gedanke gekommen, dass ich deine Stimme kannte, als ich dich beim Hexenprozess rufen gehört habe. Und als ich dann die Narbe an deinem Arm gesehen habe …« Sie zuckte mit ihren massigen Schultern und lehnte sich zurück, so dass sich der Musselin anspannte. »Wer war an diesem Abend bei dir?«, fragte sie neugierig. »Ich habe zwei gesehen – einen jungen Mann mit dunklem Haar und ein Mädchen.«
Sie schloss die Augen, um sich zu konzentrieren, dann öffnete sie sie wieder und starrte mich an.
»Hinterher hatte ich das Gefühl, ich kenne sie – aber mir ist kein Name eingefallen, obwohl ich hätte schwören können, dass ich ihr Gesicht schon einmal gesehen hatte. Wer war sie?«
»Mistress Duncan? Oder muss es jetzt Mistress Abernathy heißen?«, unterbrach Jamie, der jetzt vortrat und sich formell verbeugte. Der erste Schreck über ihr Auftauchen war zwar verflogen, doch er war immer noch blass, und seine Wangenknochen zeichneten sich deutlich unter seiner angespannten Gesichtshaut ab.
Sie sah ihn an, dann noch einmal, als nähme sie erst jetzt Notiz von ihm.
»Oh, wenn das nicht das kleine Füchslein ist!«, sagte sie mit belustigter Miene. Sie betrachtete ihn sorgsam von oben bis unten und registrierte jede Einzelheit seiner Erscheinung mit Interesse.
»Ein Prachtexemplar seid Ihr geworden, nicht wahr?«, sagte sie. Wieder lehnte sie sich zurück, und der Sessel ächzte laut unter ihrem Gewicht. Sie blinzelte ihn beifällig an. »Ihr habt das Aussehen der MacKenzies, Junge. Das war zwar früher auch schon so, aber jetzt, da Ihr älter seid, kann ich Eure Onkel beide in Eurem Gesicht sehen.«
»Ich bin mir sicher, dass sowohl Dougal als auch Colum erfreut sein würden, dass Ihr Euch so gut an sie erinnert.« Jamies Augen waren so gebannt auf sie gerichtet wie die ihren auf ihn. Er hatte sie nie gemocht – und das würde sich jetzt erst recht nicht ändern –, doch er konnte es sich nicht leisten, sie gegen sich aufzubringen; nicht, wenn sich Ian hier irgendwo aufhielt.
Die Ankunft des Tees schnitt ihr die Antwort ab. Jamie setzte sich zu mir auf das Sofa, während Geilie sorgsam den Tee einschenkte und uns jedem eine Tasse reichte, ganz wie eine normale Gastgeberin bei einer Teegesellschaft. Als wollte sie diese Illusion aufrechterhalten, bot sie uns Milch und Zucker an, dann lehnte sie sich zurück, um Konversation zu betreiben.
»Wenn Ihr mir die Frage verzeiht, Mrs. Abernathy«, sagte Jamie, »wie kommt es, dass Ihr hier seid?« Wobei er die wichtigere Frage höflich unausgesprochen ließ:
Sie lachte und ließ kokett die langen Wimpern über ihre Augen sinken.
»Nun, vielleicht erinnert Ihr Euch noch, dass ich damals in Cranesmuir ein Kind erwartet habe?«
»Ich erinnere mich an etwas in der Art.« Jamie nippte an seinem Tee, und seine Ohren wurden ein wenig rot. Oh ja, er erinnerte sich mit gutem Grund daran; sie hatte sich inmitten des Hexenprozesses die Kleider vom Leib gerissen und die geheime Wölbung enthüllt, die ihr das Leben retten würde – zumindest vorerst.
Eine kleine rosa Zunge kam zum Vorschein, und sie leckte sich geziert die Teetropfen von der Oberlippe.
»Hast du auch Kinder?«, fragte sie und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
»Ja.«
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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