Auf der Insel wurden weder Pistolen noch Schwerter hergestellt; sämtliche Waffen wurden aus Europa importiert und waren demzufolge teuer. Jamie besaß zwar die beiden Pistolen, die Kapitän Raines gehört hatten, doch die Schotten hatten nichts außer ihren Fischmessern und dem einen oder anderen Entermesser – nichts, was für einen bewaffneten Überfall ausgereicht hätte.
Er schnitt eine kleine Grimasse, dann sah er mich von der Seite an.
»Ich muss John um Hilfe bitten«, sagte er schlicht. »Nicht wahr?«
Einen Moment ritt ich schweigend weiter, dann nickte ich zustimmend.
»Ich vermute, das musst du.« Es gefiel mir zwar nicht, aber darum ging es jetzt nicht; es ging um Ians Leben. »Eines nur, Jamie …«
»Aye, ich weiß«, sagte er resigniert. »Du möchtest mitkommen, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich lächelnd. »Was ist schließlich, wenn Ian verletzt ist oder krank, oder …«
»Aye, du kannst mitkommen!«, sagte er ziemlich gereizt. »Tu mir nur den einen kleinen Gefallen, Sassenach. Gib dir bitte Mühe, nicht umgebracht oder verstümmelt zu werden, aye? Das schlägt einem Mann aufs Gemüt.«
»Ich werde mir Mühe geben«, sagte ich vorsichtig. Ich trieb mein Pferd dichter an das seine heran, und Seite an Seite ritten wir durch die tropfenden Bäume auf Kingston zu.
Kapitel 61
Das Grinsen des Krokodils
Trotz der Nachtzeit herrschte überraschend viel Verkehr auf dem Fluss. Lawrence Stern, der darauf beharrt hatte, die Expedition zu begleiten, erzählte mir, dass die meisten Plantagen in den Bergen den Fluss als Hauptverbindung nach Kingston und zum Hafen benutzten; entweder gab es gar keine Straßen, oder sie waren grauenvoll und wurden mit jeder Regenzeit aufs Neue von der üppigen Vegetation geschluckt.
Ich hatte damit gerechnet, dass der Fluss verlassen sein würde, aber wir begegneten zwei kleinen Schiffen und einem Lastkahn auf dem Weg ins Tal, während wir uns auf der breiten Wasserstraße flussaufwärts quälten. Der Lastkahn, ein gewaltiger dunkler Umriss, auf dem sich Fässer und Ballen türmten, passierte uns bedrohlich wie ein schwarzer Eisberg. Die Stimmen der Sklaven, die ihn mit Staken antrieben, hallten leise über das Wasser hinweg, während sie sich in einer fremden Sprache unterhielten.
»Es war gütig von Euch mitzukommen, Lawrence«, sagte Jamie. Wir hatten ein kleines, einmastiges offenes Boot, das gerade genug Platz für Jamie, mich, die sechs schottischen Schmuggler und Stern bot. Trotz der drangvollen Enge war ich ebenfalls dankbar für Sterns Gesellschaft; er strahlte ein unerschütterliches Phlegma aus, das unter den Umständen sehr beruhigend wirkte.
»Nun, ich kann nicht leugnen, dass ich neugierig bin«, sagte Stern und wedelte mit der Vorderseite seines Hemds, um seinen verschwitzten Körper abzukühlen. Alles, was ich im Dunklen von ihm sehen konnte, war ein wabernder weißer Fleck. »Ich bin der Dame schließlich bereits begegnet.«
»Mrs. Abernathy?« Ich hielt inne, dann fragte ich vorsichtig: »Äh … was habt Ihr von ihr gehalten?«
»Oh … eine sehr angenehme Dame; äußerst … großzügig.«
In der Dunkelheit konnte ich zwar sein Gesicht nicht sehen, doch seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton – halb selbstzufrieden, halb verlegen –, der mir verriet, dass er die Witwe Abernathy tatsächlich äußerst attraktiv gefunden hatte. Woraus ich schloss, dass Geilie etwas von dem Naturalisten gewollt hatte; ich hatte noch nie erlebt, dass sie Aufmerksamkeit für einen Mann übriggehabt hätte, es sei denn, sie versprach sich etwas davon.
»Wo seid Ihr ihr denn begegnet? Bei ihr zu Hause?« Nach allem, was die Gäste auf dem Ball des Gouverneurs erzählt hatten, verließ Mrs. Abernathy ihre Plantage nur selten oder nie.
»Ja, in Rose Hall. Ich hatte sie aufgesucht, um sie um die Erlaubnis zu bitten, einen seltenen Käfer zu sammeln – einen Rüsselkäfer –, den ich an einer Quelle auf der Plantage gefunden hatte. Sie hat mich ins Haus gebeten und … mich herzlich empfangen.« Diesmal war es definitiv ein Unterton der Genugtuung. Jamie, der neben mir das Ruder bediente, hörte es und prustete.
»Was wollte sie denn von Euch?«, fragte er, da er zweifellos zu demselben Schluss über Geilies Verhalten und ihre Motive gekommen war wie ich.
»Oh, sie hat sich auf sehr erfreuliche Weise für die Tiere und Pflanzen interessiert, die ich auf der Insel gesammelt hatte; sie hat mich nach den Fundorten und den Heilkräften diverser Kräuter gefragt. Ah, und nach anderen Orten, die ich besucht hatte. Vor allem hat sie sich für meine Berichte aus Hispaniola interessiert.« Er seufzte, weil ihn Bedauern überkam. »Es ist schwer zu glauben, dass eine derart wunderbare Frau die verabscheuungswürdigen Dinge begangen haben soll, von denen Ihr berichtet, James.«
»Wunderbar, aye?« Jamies Ton war ebenso trocken wie belustigt. »Ein bisschen von Amors Pfeil getroffen, wie, Lawrence?«
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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