»Ich bin auf der Suche nach dem Neffen meines Mannes«, sagte ich. Es hatte keinen Zweck zu lügen, und vielleicht wusste er sogar, wo Ian war. Ich blickte mich hastig im Zimmer um, doch es war leer bis auf den Reverend und unbenutzt bis auf seine kleine Lampe. »Wo ist Mrs. Abernathy?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte er und runzelte die Stirn. »Sie scheint fort zu sein. Wie meint Ihr das, den Neffen Eures Mannes?«
»Fort?« Ich blinzelte ihn an. »Wo ist sie hin?«
»Ich weiß es nicht.« Er zog ein finsteres Gesicht und klemmte die Oberlippe wie einen Schnabel über seine Unterlippe. »Als ich heute Morgen aufgestanden bin, war sie fort – genau wie anscheinend all ihre Bediensteten. Eine schöne Art, mit einem eingeladenen Gast umzugehen!«
Obwohl ich alarmiert war, entspannte ich mich ein wenig. Immerhin lief ich nicht Gefahr, Geilie zu begegnen. Mit Reverend Campbell würde ich vermutlich fertig werden.
»Oh«, sagte ich. »Nun, ich gebe zu, dass es etwas ungastlich wirkt. Ihr habt nicht zufällig einen Jungen von etwa fünfzehn gesehen, sehr hochgewachsen und dünn mit dichtem braunem Haar? Nein? Das dachte ich mir. In diesem Fall gehe ich dann woh–«
»Halt!« Er packte mich beim Oberarm, und ich blieb stehen, überrascht und erschrocken über seine Kraft.
»Wie heißt Euer Ehemann wirklich?«, wollte er wissen.
»Aber … Alexander Malcolm!«, sagte ich und zog an meinem Arm, der in der Klemme steckte. »Das wisst Ihr doch.«
»Ist das so. Und wie kommt es dann, dass mir Mrs. Abernathy, als ich ihr Euren Mann und Euch beschrieben habe, gesagt hat, Euer Name sei Fraser – dass Euer Ehemann in Wirklichkeit James Fraser ist?«
»Oh.« Ich holte tief Luft und versuchte, mir etwas Plausibles einfallen zu lassen, doch es gelang mir nicht. Spontan zu lügen, hatte mir noch nie besonders gelegen.
»Wo ist dein Ehemann, Weib?«, herrschte er mich an.
»Hört zu«, sagte ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien, »Ihr irrt Euch, was Jamie betrifft. Er hatte nichts mit Eurer Schwester zu tun; er hat es mir erzählt. Er …«
»Ihr habt ihm von Margaret erzählt?« Er griff noch fester zu. Ich ächzte unbehaglich und zog ein wenig heftiger.
»Ja. Er sagt, er war es nicht – er war nicht der Mann, dem sie nach Culloden gefolgt ist. Es war ein Freund von ihm, Ewan Cameron.«
»Ihr lügt«, sagte er ausdruckslos. »Oder er lügt. Es läuft auf dasselbe hinaus. Wo ist er?« Er schüttelte mich, und ich ruckte an meinem Arm, so dass es mir gelang, mich zu befreien.
»Ich sage Euch, er hatte nichts mit dem zu tun, was Eurer Schwester geschehen ist!« Ich wich langsam zurück und fragte mich, wie ich ihm entwischen konnte, ohne dass er sich lautstark auf die Suche nach Jamie machte und damit unwillkommene Aufmerksamkeit auf den Rettungstrupp lenkte. Acht Männer waren zwar genug, um die Säulen des Herkules zu bezwingen, aber nicht, um es mit hundert erwachenden Sklaven aufzunehmen.
»Wo?« Der Reverend kam auf mich zu und blickte mich bohrend an.
»Er ist in Kingston!«, sagte ich. Ich blickte zur Seite; ich stand in der Nähe einer Glastür, die auf die Veranda führte. Ich würde es vermutlich ins Freie schaffen, ohne dass er mich zu fassen bekam, doch was dann? Es würde schlimmer sein, wenn er mich über das Gelände verfolgte, als wenn ich ihn hier mit Reden aufhielt.
Ich richtete den Blick wieder auf den Reverend, der mich ungläubig ansah – und dann begriff ich, was ich auf der Terrasse gesehen hatte, und fuhr noch einmal mit dem Kopf herum.
Ich
»Was ist?«, wollte Reverend Campbell wissen. »Wer ist da? Wer ist da draußen?«
»Nur ein Vogel«, sagte ich und wandte mich wieder zu ihm um. Mein Herz schlug in einem abgehackten Rhythmus. Mr. Willoughby musste in der Nähe sein. Pelikane kamen eigentlich nur in Küstennähe vor, nicht aber so weit im Landesinneren. Doch wenn sich Mr. Willoughby tatsächlich in der Nähe aufhielt, was sollte ich dann tun?
»Ich bezweifle sehr, dass Euer Mann in Kingston ist«, sagte der Reverend jetzt und heftete die zusammengekniffenen Augen argwöhnisch auf mich. »Sollte es allerdings doch so sein, wird er Euch ja vermutlich irgendwann abholen.«
»Oh nein!«, sagte ich. »Nein«, wiederholte ich, so selbstbewusst ich konnte. »Jamie kommt nicht. Ich bin allein zu Besuch bei Geillis – Mrs. Abernathy. Mein Mann erwartet mich erst nächsten Monat zurück.«
Er glaubte mir nicht, doch er konnte mir auch nicht das Gegenteil beweisen. Er spitzte die Lippen zu einer kleinen Rosette, dann löste er sie so weit, dass er fragen konnte: »Dann seid Ihr also hier einquartiert?«
»Ja«, sagte ich und war froh, dass ich mich hinreichend auf der Plantage auskannte, um vorzutäuschen, dass ich hier zu Gast war. Wenn die Dienstboten fort waren, konnte schließlich niemand etwas anderes behaupten.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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