»Dann war es gar kein Engländer«, sagte ich. Meine Hände waren feucht, und ich wischte sie mir am Rock ab. »Ein englischer
»Nicht Willoughby«, sagte er scharf. »Ich bin Yi Tien Cho!«
»Warum!«, sagte ich und schrie beinahe. »Seht mich an, verdammt!
Und er sah mich an. Seine Augen waren schwarz und so rund wie Murmeln, doch sie hatten ihren Glanz verloren.
»In China«, sagte er, »es gibt … Geschichten. Prophezeiung. Dass eines Tages Geister kommen. Jeder Angst vor Geist.« Er nickte, einmal, zweimal, dann richtete er den Blick wieder auf die Gestalt am Boden.
»Ich verlasse China, rette mein Leben. Erwache viel später – ich sehe Geister. Überall Geister um mich herum«, sagte er leise.
»Großer Geist kommt – schreckliches weißes Gesicht, sehr schrecklich, Haar aus Feuer. Wird meine Seele essen, glaube ich.« Seine Augen waren auf den Reverend geheftet gewesen, jetzt hoben sie sich zu meinem Gesicht, abwesend und reglos wie ein stehendes Gewässer.
»Ich habe recht«, sagte er schlicht und nickte erneut. Er hatte sich zwar länger nicht mehr rasiert, doch die Kopfhaut unter dem schwarzen Pelz glänzte im Licht der Lampe.
»Er isst meine Seele, Tsei-mi. Ich nicht mehr da, Yi Tien Cho.«
»Er hat Euch das Leben gerettet«, sagte ich. Er nickte erneut.
»Ich weiß. Besser ich sterbe. Besser sterben als Willoughby sein. Willoughby! Ptah!« Er wandte den Kopf ab und spuckte aus. Sein Gesicht verzerrte sich plötzlich vor Wut.
»Er spricht meine Worte, Tsei-mi! Er isst meine Seele!« Der Wutanfall schien genauso schnell zu verfliegen, wie er gekommen war. Er schwitzte, obwohl es nicht übermäßig warm im Zimmer war. Mit zitternder Hand fuhr er sich über das Gesicht und wischte die Feuchtigkeit ab.
»Da ist Mann, sehe in Wirtshaus. Fragt nach Mac-Doo. Ich betrunken«, sagte er leidenschaftslos. »Will Frau, keine Frau kommt mit mir – lachen, sagen gelber Wurm, zeigen mit Finger …« Er wies vage mit der Hand auf die Vorderseite seiner Hose und schüttelte den Kopf, so dass sein Zopf leise über die Seide raschelte.
»Ganz gleich, was
Er starrte jetzt wieder auf den Prediger. Ich sah, wie sich die schmale schwarze Brust langsam hob, senkte … sich noch einmal hob, senkte … und sich nicht mehr regte. Im Zimmer war nichts zu hören, das Keuchen war verstummt.
»Stehe in Schuld«, sagte Yi Tien Cho. Er wies kopfnickend auf den leblosen Körper. »Ich bin entehrt, ich Fremder. Aber ich bezahle. Euer Leben für mein Leben, Erste Frau. Ihr sagt Tsei-mi.«
Er nickte noch einmal, dann wandte er sich zur Tür. Im Dunkel der Veranda raschelte Gefieder. Auf der Schwelle machte er noch einmal kehrt.
»Als ich erwache auf Dock, ich denke, Geister sind gekommen, sind überall ringsum«, sagte Yi Tien Cho leise. Seine Augen waren dunkel und ausdruckslos und von jeder Tiefe frei. »Aber ich geirrt. Ich bin es; ich bin der Geist.«
An der Glastür regte sich ein Luftzug, und er war fort. Das rasche, leise Geräusch filzbesohlter Schuhe entfernte sich über die Veranda, gefolgt vom Rascheln ausgebreiteter Flügel und einem leisen, klagenden
Ich schaffte es bis zum Sofa, ehe mir die Knie versagten. Ich beugte mich vor, legte den Kopf auf die Knie und betete darum, nicht ohnmächtig zu werden. Das Blut hämmerte mir in den Ohren. Ich glaubte, einen keuchenden Atemzug zu hören, und riss in Panik den Kopf hoch, doch Reverend Campbell lag reglos da.
Ich konnte nicht mit ihm in einem Zimmer bleiben. Ich stand auf und schlug einen möglichst großen Bogen um den Toten, doch ich hatte die Verandatür noch nicht erreicht, als ich es mir anders überlegte. Die Ereignisse des Abends kollidierten in meinem Kopf wie die Glasstückchen in einem Kaleidoskop.
Ich konnte jetzt nicht innehalten, um nachzudenken und mir einen Reim auf alles zu machen. Doch mir fiel ein, was der Reverend gesagt hatte, als Yi Tien Cho gekommen war. Wenn es einen Hinweis darauf gab, wohin Geillis Abernathy gegangen war, würde er oben sein. Ich nahm mir eine Kerze vom Tisch, zündete sie an und begab mich durch das dunkle Haus zur Treppe. Ich widerstand dem Drang, mich umzusehen, und mir war furchtbar kalt.
Es herrschte Dunkelheit im Arbeitsraum, doch über dem hinteren Ende der hölzernen Platte schwebte ein schwacher, gespenstischer, violetter Schimmer. In der Luft lag ein seltsamer Brandgeruch, der mir in der Nase brannte und mich zum Niesen brachte. Der schwache metallische Nachgeschmack in meiner Kehle erinnerte mich an einen längst vergangenen Chemie-Vortrag.
Brennendes Quecksilber. Der Dampf, den es ausströmte, war nicht nur von gespenstischer Schönheit, er war außerdem hochgiftig. Ich riss ein Taschentuch hervor und schlug es mir vor Nase und Mund, während ich auf das violette Leuchten zuging.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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