Melton murmelte vor sich hin, doch Jamie konnte die Worte nicht ausmachen; er interessierte sich ohnehin nicht besonders dafür. Während er im Licht der Sonne saß, hatte er sein Bein zum ersten Mal genau gesehen, und er war sich hinreichend sicher, dass er nicht mehr lange genug leben würde, um gehängt zu werden.
Das brennende Rot der Entzündung breitete sich von der Mitte seines Oberschenkels aufwärts aus, viel kräftiger als die getrockneten Blutspuren. Die Wunde selbst war vereitert; jetzt, da der Gestank der anderen Männer verschwand, konnte er den schwachen, faulig süßen Geruch des Ausflusses wahrnehmen. Dennoch schien ihm eine rasche Kugel in den Kopf wünschenswerter zu sein als die Schmerzen und das Delirium, wenn er an der Entzündung starb. Ob man wohl den Knall hörte?, fragte er sich und döste ein, den kühlen festen Lehm des Fußbodens glatt und tröstend wie eine Mutterbrust unter seiner heißen Wange.
Er schlief zwar nicht richtig, sondern dämmerte nur im Fieber dahin, doch beim Klang von Meltons Stimme wurde er ruckartig hellwach.
»Grey«, sagte die Stimme, »John William Grey! Kennt Ihr diesen Namen?«
»Nein«, sagte er schlaftrunken und fiebrig. »Hört zu, Mann, erschießt mich oder verschwindet, aye? Ich bin krank.«
»In der Nähe von Carryarick«, bohrte Meltons Stimme ungeduldig weiter. »Ein Junge, ein blonder Junge, ungefähr sechzehn. Ihr seid im Wald auf ihn gestoßen.«
Jamie blinzelte zu dem Quälgeist auf. Zwar trübte das Fieber seinen Blick, doch das fein gemeißelte Gesicht mit den großen, beinahe mädchenhaften Augen hatte etwas vage Vertrautes an sich.
»Oh«, sagte er und fischte ein einzelnes Gesicht aus der Flut der Bilder, die ihm ziellos durch das Hirn wirbelten. »Der Kleine, der versucht hat, mich umzubringen. Aye, ich erinnere mich.« Er schloss die Augen. Auf jene seltsame Art, die dem Fieber eigen ist, schien eine Empfindung mit der anderen zu verschmelzen. Er hatte John William Grey den Arm gebrochen; in seiner Erinnerung wurde der schlanke Knochen unter seiner Hand zu den Knochen in Claires Unterarm, als er sie aus dem Griff der Steine riss. Der kühle Nebelhauch streichelte sein Gesicht mit Claires Fingern.
»Aufwachen, verdammt!« Sein Kopf schlackerte, als ihn Melton ungeduldig schüttelte. »Hört mir zu!«
Jamie öffnete erschöpft die Augen. »Aye?«
»John William Grey ist mein Bruder«, sagte Melton. »Er hat mir von seiner Begegnung mit Euch erzählt. Ihr habt ihm das Leben geschenkt, und er hat Euch ein Versprechen gegeben – ist das wahr?«
Mit großer Mühe ließ er seine Gedanken in die Vergangenheit wandern. Er war dem Jungen zwei Tage vor der ersten Schlacht der Rebellion begegnet, dem schottischen Sieg in Prestonpans. Die sieben Monate, die seitdem vergangen waren, erschienen ihm wie eine gewaltige Kluft; so viel war seitdem geschehen.
»Aye, ich erinnere mich. Er hat mir versprochen, mich umzubringen. Aber ich habe nichts dagegen, wenn Ihr es für ihn tut.« Seine Augenlider wurden wieder schwer. Musste er wach sein, um erschossen zu werden?
»Er sagt, er steht in Eurer Ehrenschuld, und er hat recht.« Melton erhob sich, strich sich den Staub von den Knien seiner Hose und wandte sich dem Leutnant zu, der dieses Verhör mit wachsender Verwunderung beobachtet hatte.
»Es ist eine vertrackte Situation, Wallace. Dieser … dieser jakobitische Schuft ist eine Berühmtheit. Ihr habt doch vom Roten Jamie gehört? Der auf den Flugblättern abgebildet ist?« Der Leutnant nickte und senkte den Blick neugierig auf die heruntergekommene Gestalt im Staub zu seinen Füßen. Melton lächelte bitter.
»Nein, jetzt sieht er nicht mehr so gefährlich aus, nicht wahr? Aber er ist immer noch der Rote Jamie Fraser, und Seine Durchlaucht wäre mehr als erfreut, von einem solch illustren Gefangenen zu hören. Zwar wurde Charles Stuart noch nicht gefunden, aber ein paar berühmte Jakobiten würden die Menge am Tower Hill beinahe genauso begeistern.«
»Soll ich Seiner Durchlaucht eine Nachricht übersenden?« Der Leutnant griff nach seinem Depeschenbehälter.
»Nein!« Melton fuhr herum und funkelte seinen Gefangenen an. »Das ist ja das Problem! Dieser Dreckskerl ist nicht nur erstklassiges Futter für den Galgen, sondern auch der Mann, der meinen jüngsten Bruder in der Nähe von Preston gefangen genommen hat, und statt den Rotzlümmel zu erschießen, wie er es verdient gehabt hätte, hat er ihn verschont und ihn zu seinen Kameraden zurückkehren lassen. Womit er«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, »meiner Familie eine verdammte Ehrenschuld auferlegt hat!«
»Grundgütiger«, sagte der Leutnant. »Also könnt Ihr ihn Seiner Durchlaucht gar nicht übergeben.«
»Nein, verdammt! Ich kann den Mistkerl nicht einmal erschießen, ohne den Eid meines Bruders zu verletzen!«
Der Gefangene öffnete ein Auge. »Ich werde es niemandem verraten, wenn Ihr es auch nicht tut«, sagte er, um es dann prompt wieder zu schließen.
»Maul halten!« Melton verlor die Beherrschung und trat nach dem Gefangenen, der zwar aufstöhnte, aber nichts mehr sagte.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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