»Nein, er hat überhaupt nicht gelacht. Er schien sogar furchtbar unglücklich über irgendetwas zu sein. Nicht dass ich sein Gesicht gut sehen konnte; es war nur etwas an der Art, wie er dastand. Ich bin von hinten näher gekommen, und als er sich nicht bewegt hat, habe ich höflich gefragt, ob ich ihm irgendwie helfen könnte. Zuerst hat er sich so verhalten, als hätte er mich nicht gehört, und ich dachte, er hätte es vielleicht tatsächlich nicht, weil der Wind so laut war. Also habe ich meine Frage wiederholt und die Hand ausgestreckt, um ihm auf die Schulter zu tippen und ihn auf mich aufmerksam zu machen. Aber ehe ich ihn berühren konnte, hat er plötzlich auf dem Absatz kehrtgemacht und ist an mir vorbei und davonspaziert.«
»Klingt ein bisschen unhöflich, aber nicht sehr gespenstisch«, sagte ich und leerte mein Glas. »Wie hat er denn ausgesehen?«
»Ziemlich groß«, antwortete Frank und runzelte nachdenklich die Stirn. »Und Schotte, in kompletter Highland-Aufmachung, inklusive Sporran und einer herrlichen Brosche mit einem Hirschmotiv an seinem Plaid. Ich hätte ihn gern gefragt, woher er sie hatte, aber er war auf und davon, ehe ich noch etwas sagen konnte.«
Ich ging zum Sekretär und goss mir noch einen Whisky ein. »Nun ja, das ist für diese Gegend aber nicht ungewöhnlich, oder? Wir haben doch im Ort auch schon Männer gesehen, die sich so anziehen.«
»Nein …« Frank klang skeptisch. »Nein, es war nicht seine Kleidung, die merkwürdig war. Aber ich könnte schwören, dass er so dicht an mir vorbeigegangen ist, dass ich hätte spüren müssen, wie er meinen Ärmel streift – aber das habe ich nicht. Er ist über die Gereside Road gegangen, aber als er fast an der Ecke war, ist er … verschwunden. Das war der Moment, an dem mir ein bisschen kalt im Rücken wurde.«
»Vielleicht warst du nur kurz abgelenkt, und er ist einfach in den Schatten getreten«, meinte ich. »An der Ecke stehen ja viele Bäume.«
»Ich könnte schwören, dass ich ihn nicht einen Moment aus den Augen gelassen habe«, murmelte Frank. Plötzlich blickte er auf. »Ich weiß es! Jetzt fällt es mir wieder ein, warum ich ihn so seltsam fand, auch wenn es mir in dem Moment nicht klar war.«
»Was?« Allmählich hatte ich genug von dem Gespenst und wäre gern zu interessanteren Dingen übergegangen, zum Beispiel unserem Bett.
»Es hat höllisch gestürmt, aber seine Kleider – sein Kilt und sein Plaid – haben sich überhaupt nicht bewegt, außer im Rhythmus seiner Schritte.«
Wir sahen einander an. »Tja«, sagte ich schließlich, »das ist jetzt tatsächlich ein bisschen gruselig.«
Frank zuckte mit den Schultern und lächelte auf einmal. »Wenigstens habe ich jetzt Mr. Wakefield etwas zu erzählen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Womöglich ist es ja ein ortsbekannter Geist, und er kann mir eine blutige Geschichte dazu erzählen.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Aber jetzt ist es wirklich dringend Zeit fürs Bett.«
»Das ist es«, murmelte ich.
Ich beobachtete im Spiegel, wie er sein Hemd auszog und nach einem Kleiderbügel griff. Plötzlich hielt er inne.
»Hattest du viele Schotten in deiner Obhut, Claire?«, fragte er abrupt. »Im Lazarett oder in Pembroke?«
»Natürlich«, erwiderte ich leicht verwundert. »Wir hatten viele Seaforths und Camerons und nach Caen auch jede Menge aus den Gordon-Regimentern. Die meisten waren recht nett. Im Allgemeinen ziemlich stoisch, aber ausgewachsene Feiglinge, wenn man mit einer Nadel ankam.« Ich lächelte, weil ich an einen Mann ganz besonders denken musste.
»Wir hatten einen – schon ein älterer Kerl, ein Dudelsackspieler aus dem Dritten Seaforth-Regiment – , der es nicht ertragen konnte, gepikst zu werden, vor allem nicht in den Po. Er hat lieber stundenlang fürchterlich gelitten, statt jemanden mit einer Nadel an sich heranzulassen. Und selbst dann hat er noch versucht, uns zu überreden, ihm die Injektion in den Arm zu geben, obwohl sie intramuskulär sein musste.« Ich lachte bei dem Gedanken an Korporal Chrisholm. »Er hat zu mir gesagt: ›Wenn ich mit nacktem Hintern auf dem Bauch liegen soll, dann will ich das Mädchen doch
Frank lächelte zwar, doch er sah reichlich beklommen aus, wie oft bei meinen weniger delikaten Kriegserzählungen. »Keine Sorge«, versicherte ich ihm, als ich seinen Blick auffing. »Das erzähle ich nicht im Aufenthaltsraum der Fakultät.«
Sein Lächeln wurde breiter, und er trat hinter mich an den Sitz der Ankleide. Er drückte mir einen Kuss auf den Scheitel.
»Mach dir keine Gedanken«, versicherte er. »Sie werden dort begeistert von dir sein, egal, was für Geschichten du ihnen erzählst. Mmmm. Dein Haar duftet herrlich.«
»Ja, gefällt es dir?« Als Antwort glitten mir seine Hände über die Schultern und umfassten meine Brüste in dem dünnen Nachthemd. Ich konnte seinen Kopf über dem meinen im Spiegel sehen, und sein Kinn ruhte auf meinem Scheitel.