Zuerst war unser Besuch bei Mr. Bainbridge am gestrigen Nachmittag bestens verlaufen. Ich war zurückhaltend, wohlerzogen, intelligent, aber bescheiden, gut frisiert und elegant gekleidet gewesen – ganz die perfekte Professorengattin. Bis der Tee serviert wurde.
Ich drehte meine rechte Hand um und untersuchte stirnrunzelnd eine große Blase, die sich über den Ansatz aller vier Finger erstreckte. Es war schließlich nicht meine Schuld, dass Mr. Bainbridge, ein Witwer, keine ordentliche Porzellankanne hatte, sondern sich mit einer billigen Blechkanne begnügte. Oder dass der Anwalt mich gebeten hatte, den Tee einzuschenken, weil er wohl höflich sein wollte. Oder dass der Topflappen, den er mir gereicht hatte, eine zerschlissene Stelle hatte, durch die der glühend heiße Griff der Kanne in direkten Kontakt mit meiner Hand gekommen war, als ich danach griff.
Nein, beschloss ich und schob damit die letzten noch vorhandenen leichten Gewissensbisse endgültig beiseite. Die Teekanne fallen zu lassen war eine völlig normale Reaktion. Sie Mr. Bainbridge auf den Schoß fallen zu lassen war nur ein unglücklicher Zufall; irgendwohin musste ich sie ja fallen lassen. Es war die Tatsache, dass ich so laut »Ach du verdammte Scheiße!« gerufen hatte, dass es selbst Mr. Bainbridges Aufschrei übertönte, die dazu geführt hatte, dass mich Frank über das Gebäck hinweg finster angesehen hatte.
Nachdem die Kanne bei Mr. Bainbridge keinen nachhaltigen Schaden angerichtet und er sich von seinem Schreck erholt hatte, hatte er sich überaus ritterlich verhalten, sich um meine Hand gekümmert und Franks Versuche ignoriert, meine Ausdrucksweise damit zu entschuldigen, dass ich fast zwei Jahre lang in einem Feldlazarett stationiert gewesen war. »Ich fürchte, meine Frau hat da bei den Yankees ein paar lustige Kraftausdrücke aufgeschnappt«, meinte Frank und lächelte nervös.
»Das stimmt«, sagte ich und wickelte mir mit zusammengebissenen Zähnen eine nasse Serviette um die Hand. »Männer sind nun einmal ›lustig‹, wenn man Schrapnellsplitter aus ihnen herauspickt.«
Mr. Bainbridge hatte taktvoll versucht, das Gespräch auf neutrales historisches Terrain zu lenken, indem er sagte, er hätte sich schon immer für die linguistische Entwicklung des Fluchens interessiert.
»Keinen Zucker, danke, Claire«, wehrte Frank ab, der dankbar auf das Ablenkungsmanöver einging, und ließ sich seine unakademische Stirnlocke ins Gesicht fallen. Automatisch schob er sie zurück. »Interessant«, meinte er, »die Evolution der Kraftausdrücke.«
»Ja, und sie schreitet immer noch voran«, informierte ich ihn und klemmte vorsichtig ein Zuckerstück mit der Zange fest.
»Oh?«, fragte Mr. Bainbridge höflich. »Sind Ihnen denn im Lauf Ihrer, äh, Kriegserlebnisse besonders interessante Variationen untergekommen?«
»Oh, ja«, antwortete ich. »Meinen Lieblingsausdruck habe ich von einem Yankee. Ein Mann namens Williamson, aus New York, glaube ich. Er hat es jedes Mal gesagt, wenn ich seinen Verband gewechselt habe.«
»Was war es denn?«
»Jesus. H. Roosevelt Christ«, sagte ich und ließ das Zuckerstück zielsicher in Franks Kaffee fallen.
Nachdem ich eine Weile in aller Seelenruhe mit Mrs. Baird zusammengesessen hatte, ging ich nach oben, um mich zurechtzumachen, ehe Frank nach Hause kam. Ich wusste, dass er nie mehr als zwei Gläser Sherry trank, also erwartete ich ihn bald zurück.
Der Wind wurde jetzt stärker, und die ganze Luft im Schlafzimmer prickelte elektrisch. Ich zog mir die Bürste durch das Haar, und meine Locken knisterten vor lauter Statik und verknoteten sich aufgebracht. Mein Haar würde heute Abend ohne seine hundert Bürstenstriche auskommen müssen, entschied ich. Bei diesem Wetter würde ich mir lieber nur die Zähne bürsten. Haarsträhnen hefteten sich elektrisch aufgeladen an meine Wangen und blieben hartnäckig dort kleben, selbst als ich versuchte, sie zurückzustreichen.
Kein Wasser im Krug; Frank hatte es aufgebraucht, als er sich frisch machte, ehe er zu seinem Besuch bei Mr. Bainbridge aufbrach, und ich hatte mich nicht der Mühe unterzogen, ihn am Wasserhahn im Bad nachzufüllen. Ich griff nach der Flasche L’Heure Bleue und goss mir einen ordentlichen Spritzer in die Hand. Energisch verrieb ich die Flüssigkeit zwischen den Händen, ehe sich der Duft verflüchtigen konnte, und fuhr mir rasch damit durch das Haar. Dann verteilte ich zwei weitere Tropfen auf der Bürste und strich mir damit die Locken hinter die Ohren.
So. Das war schon deutlich besser, dachte ich, während ich den Kopf hin und her drehte, um das Ergebnis in dem fleckigen Spiegel zu betrachten. Durch die Feuchtigkeit war die statische Elektrizität in meinem Haar verflogen, und es schwebte mir in schweren, glänzenden Wellen um das Gesicht. Zugleich hatte der verdunstende Alkohol einen sehr angenehmen Duft zurückgelassen. Das würde Frank gefallen, dachte ich. L’Heure Bleue war sein Lieblingsduft.