»Da wäre ich mir nicht so sicher«, entgegnete sie nachdenklich, ohne auf die Beleidigung einzugehen. »Ich habe von präparierten Werkzeugen gehört, deren Spitzen sich zurückziehen, wenn sie die Haut berühren. So dass es für alle anderen aussieht, als würde es nicht bluten.«
»Aber warum? Warum sollte man jemanden mit Absicht zur Hexe stempeln?«
Die Sonne senkte sich allmählich wieder, doch das Nachmittagslicht reichte aus, um unsere Grube mit einem gedämpften Leuchten zu erfüllen. In Geilies elegantem Gesicht war nichts als Mitleid mit meiner Arglosigkeit zu sehen.
»Du begreifst es immer noch nicht, oder?«, fragte sie. »Sie haben vor, uns umzubringen. Und es spielt nicht die geringste Rolle, wie die Anklage lautet oder wie die Beweislage ist. Wir werden so oder so verbrennen.«
In der vergangenen Nacht war ich zu schockiert über den Angriff des Pöbels und über die Trostlosigkeit unserer Umgebung gewesen, um mehr zu tun, als mich dicht an Geillis zu drängen und auf die Dämmerung zu warten. Mit dem Tag war jedoch auch das erwacht, was von meinem Denkvermögen noch übrig war.
»Weshalb, Geilie?«, fragte ich und bekam vor Entsetzen kaum Luft. »Weißt du es?« Die Luft in der Grube stank nach Fäulnis, Dreck und feuchter Erde, und ich fühlte mich, als stünden die undurchdringlichen Erdwände kurz davor, über mir zusammenzufallen wie die Seitenwände eines schlecht ausgehobenen Grabs.
Ich spürte ihr Achselzucken eher, als dass ich es sah; der Lichtfleck von oben war mit der Sonne weitergezogen und fiel jetzt oben auf die Wand unseres Gefängnisses, so dass wir unten wieder in der kalten Finsternis hockten.
»Falls es dich irgendwie tröstet«, sagte sie trocken, »so bezweifle ich, dass du ebenfalls festgenommen werden solltest. Es ist eine Sache zwischen mir und Colum – du hattest einfach das Pech, bei mir zu sein, als die Leute aus dem Dorf gekommen sind. Wärst du bei Colum gewesen, wärst du vermutlich in Sicherheit gewesen – Sassenach hin oder her.«
Das Wort »Sassenach«, das hier im üblichen verächtlichen Sinne benutzt wurde, erfüllte mich plötzlich mit verzweifelter Sehnsucht nach dem Mann, der mich liebevoll so nannte. Ich schlang die Arme um mich selbst, um die einsame Panik in Schach zu halten, die aus mir herauszubrechen drohte.
»Warum bist du eigentlich zu mir gekommen?«, fragte Geilie neugierig.
»Ich dachte, du hättest mich rufen lassen, weil du krank bist. Eins der Mädchen in der Burg hat mir eine Nachricht überbracht – von dir, hat sie behauptet.«
»Ah«, sagte sie nachdenklich. »Laoghaire, nicht wahr?«
Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Erdwand, auch wenn mich die feuchte, stinkende Oberfläche anwiderte. Geillis spürte meine Bewegung und rückte näher. Freundinnen oder Feindinnen, wir waren füreinander die einzige Wärmequelle in der Grube; wir konnten gar nicht anders, als uns aneinanderzudrängen.
»Woher weißt du denn, dass es Laoghaire war?«, fragte ich zitternd.
»Sie hat dir den Talisman ins Bett gelegt«, erwiderte Geillis. »Ich habe dir ja gleich gesagt, dass man es dir übelgenommen hat, dass du den rothaarigen Jungen geheiratet hast. Wahrscheinlich dachte sie, sie bekommt noch eine Chance, wenn du aus dem Weg geräumt bist.«
Es dauerte einen Moment, bis ich die Sprache wiederfand.
»Aber das kann doch nicht wahr sein!«
Geilies Lachen war heiser vor Kälte und Durst, doch seinen Silberklang hatte es nicht verloren.
»Jeder, der die Blicke sieht, die der Junge auf dich richtet, wüsste das. Aber ich glaube nicht, dass sie schon genug von der Welt gesehen hat, um so etwas zu begreifen. Lass sie erst ein- oder zweimal mit einem Mann schlafen, dann weiß sie es, aber jetzt noch nicht.«
»Das meine ich gar nicht!«, entfuhr es mir. »Es geht ihr doch gar nicht um Jamie; das Mädchen bekommt ein Kind von Dougal MacKenzie.«
»Was?!« Im ersten Moment erschrak sie aufrichtig, und ihre Finger bohrten sich in meinen Arm. »Wie kommst du denn darauf?«
Ich erzählte ihr davon, wie ich Laoghaire auf der Treppe vor Colums Studierzimmer beobachtet und welche Schlussfolgerungen ich gezogen hatte.
Geillis prustete. »Pah! Sie hat Colum und Dougal über
»
Geillis rückte abrupt von mir ab.
»Ich habe ihn ihr nicht
Ich versuchte, ihr in der zunehmenden Dunkelheit in die Augen zu sehen.
»Da gibt es einen Unterschied?«
»Natürlich«, sagte sie ungeduldig. »Es war eine reine Geschäftssache. Und ich verrate die Geheimnisse meiner Kunden nicht. Außerdem hat sie mir nicht verraten, für wen er sein sollte. Und vielleicht erinnerst du dich, dass ich versucht habe, dich zu warnen.«