Mir war zu übel, um mich hinzusetzen oder die Augen zu öffnen, aber ich schlug schwach mit der Hand, um ihn wissen zu lassen, dass ich noch lebte.
»Mir fehlt nichts«, sagte ich.
»Wirklich? O Gott, Claire!« Er hob mich an seine Brust und hielt mich fest. »Himmel, Claire, ich war mir sicher, dass du tot bist. Du … du … hast irgendwie … angefangen zu gehen. Deine Miene war schrecklich, als hättest du Todesangst. Ich … ich habe dich von dem Stein zurückgerissen. Ich habe dich aufgehalten. Das hätte ich nicht tun sollen – entschuldige, Claire.«
Meine Augen waren jetzt so weit offen, dass ich sein Gesicht über mir sah, erschrocken und voller Angst.
»Schon gut.« Es kostete mich immer noch Mühe, zu sprechen, und ich fühlte mich schwer und desorientiert, doch allmählich wurde alles wieder klarer. Ich versuchte zu lächeln, spürte aber nicht mehr als ein Zucken.
»Wenigstens … wissen wir … dass es noch geht.«
»O Gott. Aye, es geht.« Er warf einen Blick voll Angst und Ekel auf den Stein.
Dann ließ er mich kurz allein, um ein Taschentuch in einer Regenpfütze anzufeuchten, die sich in einer Steinmulde gesammelt hatte. Er wischte mir damit sanft über das Gesicht und murmelte dabei immer noch beruhigende und entschuldigende Worte. Schließlich fühlte ich mich stark genug, um mich zu setzen.
»Du hast es mir trotz allem nicht geglaubt, oder?« Ich war zwar furchtbar benommen, empfand jedoch irgendwie Bestätigung. »Aber es stimmt.«
»Aye, es stimmt.« Er setzte sich neben mich und starrte den Stein ein paar Minuten an. Ich rieb mir das Gesicht mit dem feuchten Tuch. Mir war immer noch schwindelig. Plötzlich sprang er auf, ging zu dem Stein hinüber und schlug die Hand dagegen.
Es geschah nicht das Geringste, und nach einer Minute ließ er ratlos die Schultern hängen und kam zu mir zurück.
»Vielleicht geht es ja nur bei Frauen«, brachte ich verschwommen heraus. »In den Legenden sind es immer Frauen. Oder vielleicht geht es nur bei mir.«
»Bei mir geht es jedenfalls nicht«, sagte er. »Aber ich überzeuge mich am besten noch einmal.«
»Jamie! Sei vorsichtig!«, rief ich, doch es war zwecklos. Er marschierte zu dem Stein hinüber, schlug erneut darauf ein, warf sich dagegen, schritt durch den Spalt und wieder zurück, doch es war und blieb nicht mehr als ein massiver Monolith. Was mich betraf, so erschauerte ich bei dem bloßen Gedanken, mich diesem Tor zum Irrsinn noch einmal zu nähern.
Und doch. Doch hatte ich an Frank gedacht, als ich diesmal in das Chaos eintauchte. Und ich hatte ihn
Schließlich wandte er sich mir zu und ergriff meine Hände. Er hob sie an seine Lippen und küsste sie beide förmlich.
Meine Lippen waren zu steif, um zu sprechen, doch meine Miene muss genauso leicht zu lesen gewesen sein wie sonst auch.
»Claire«, sagte er drängend, »es ist deine Zeit auf der … anderen Seite. Du hast dort dein Zuhause, deinen Platz. Die Dinge, an die du gewöhnt bist. Und … und Frank.«
»Ja«, sagte ich, »Frank.«
Jamie nahm mich bei den Schultern, zog mich hoch und schüttelte mich flehend.
»Auf dieser Seite gibt es nichts für dich, Claire! Nichts als Gewalt und Gefahr. Geh!« Er schob mich sacht von sich und drehte mich dem Steinkreis zu. Ich wandte mich wieder zu ihm um und nahm seine Hände.
»Gibt es hier wirklich nichts für mich, Jamie?« Mein Blick hielt seine Augen fest und ließ nicht zu, dass er mich erneut von sich fortdrehte.
Behutsam entzog er mir ohne zu antworten seine Hände und trat zurück, plötzlich eine Gestalt aus einer anderen Zeit vor einem Hintergrund dunstiger Hügel, das Leben in seinem Gesicht eine optische Täuschung, als wäre es unter Farbschichten begraben, mit denen ein Maler vergessener Orte gedachte, einer Leidenschaft, die zu Staub geworden war.
Ich sah ihm in die Augen, die voller Schmerz und Sehnsucht waren, und er war wieder Fleisch und Blut, ganz nah, ganz real, Geliebter, Ehemann, Mann.
Mein Gesicht muss meine Pein deutlich widergespiegelt haben, denn er zögerte. Dann drehte er sich nach Osten und zeigte bergab. »Siehst du dort, hinter dem Eichenwäldchen? Ungefähr auf halbem Weg bergab?«
Ich sah die Bäume und sah auch die halb verfallene Bauernkate, auf die er zeigte, verlassen auf dem Geisterhügel.
»Ich gehe hinunter in das Haus und warte bis heute Abend dort. Um sicherzugehen, dass du … außer Gefahr bist.« Er schaute mich zwar gerade an, machte aber keine Anstalten, mich zu berühren. Dann schloss er die Augen, als könnte er es nicht mehr ertragen, mich anzusehen.
»Leb wohl«, sagte er und wandte sich zum Gehen.