»Jamie, die Currans sind eingetroffen und Willie Murray und die Jeffries. Am besten gehst du nach unten zum zweiten Frühstück mit ihnen. Ich habe frisches Fladenbrot und Salzheringe auf den Tisch gestellt, und Mrs. Crook bereitet gerade Marmeladenküchlein zu.«
»Oh, aye. Claire, komm mir nach, wenn du fertig bist.« Er erhob sich hastig, blieb stehen, um mich kurz, aber gründlich zu küssen, und verschwand. Seine Schritte ratterten die erste Treppe hinunter und verlangsamten sich auf der zweiten zum gesetzteren Tempo, das eines Gutsherrn würdig war. So näherte er sich der unteren Etage.
Jenny sah ihm lächelnd nach, dann richtete sie ihr Augenmerk auf mich. Sie stellte die Schatulle auf das Bett und klappte sie auf, so dass ein Durcheinander von Schmuckstücken zum Vorschein kam. Der Anblick überraschte mich; er passte so gar nicht zu der ordentlichen Jenny Murray, deren eiserne Hand dafür sorgte, dass der Haushalt vom Morgengrauen bis zum Abendrot reibungslos funktionierte.
Sie fuhr mit den Fingern durch den Glitzerkram, dann hob sie den Kopf und lächelte mich an, als hätte sie meinen Gedanken erraten.
»Ich denke immer wieder, dass ich die Schatulle irgendwann aufräumen sollte. Aber meine Mutter hat mich manchmal darin kramen lassen, als ich noch klein war, und ich empfand es immer wie einen Zauberschatz – ich wusste nie, was ich als Nächstes herausfischen würde. Vermutlich denke ich, dass der Zauber irgendwie verschwinden würde, wenn das alles ordentlich wäre. Dumm, oder?«
»Nein«, sagte ich und erwiderte ihr Lächeln. »Nein, das ist überhaupt nicht dumm.«
Gemeinsam gruben wir uns vorsichtig durch den Inhalt der Schatulle, der aus den Lieblingsstücken von Frauen aus vier Generationen bestand.
»Die hat meiner Großmutter Fraser gehört«, erklärte Jenny und hielt eine Silberbrosche hoch. Sie hatte die Form eines ziselierten Sichelmonds, auf dessen Spitze ein einzelner Diamant glitzerte wie ein Stern.
»Und das …«, sie zog einen schmalen Goldring mit einem von Brillanten umrahmten Rubin heraus, »das ist mein Ehering. Ian hat einen halben Jahreslohn dafür ausgegeben, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich das töricht finde.« Ihre liebevolle Miene deutete darauf hin, dass es alles andere als töricht von Ian gewesen war. Sie polierte den Stein an ihrem Mieder und warf noch einen bewundernden Blick darauf, ehe sie ihn wieder in die Schatulle legte.
»Bin ich froh, wenn das Baby da ist!«, sagte sie und tätschelte ihren Bauch, während sie das Gesicht verzog. »Meine Finger sind frühmorgens so geschwollen, dass ich kaum mein Mieder schließen kann, ganz zu schweigen davon, meine Ringe zu tragen.«
Mein Blick fiel auf ein seltsames, nichtmetallisches Glänzen in den Tiefen der Schatulle, und ich zeigte mit dem Finger darauf. »Was ist denn das?«
»Oh, das«, sagte sie und tauchte erneut die Hand in die Schatulle. »Ich habe sie nie getragen; sie stehen mir nicht. Aber du könntest sie tragen – du bist hochgewachsen und stattlich, wie es meine Mutter war. Sie haben nämlich ihr gehört.«
Es waren zwei Armreifen, die jeweils aus dem geschwungenen, beinahe kreisrunden Stoßzahn eines wilden Ebers bestanden, poliert zu einem tiefen Elfenbeinglanz, die Enden mit Silberkappen verkleidet, in die ein Blumenmuster eingraviert war.
»Himmel, wie herrlich! Ich habe noch nie etwas so … so wundervoll Barbarisches gesehen.«
Jenny gluckste belustigt. »Aye, das stimmt. Irgendjemand hat sie Mutter zur Hochzeit geschenkt, aber sie wollte nicht verraten, wer. Mein Vater hat sie hin und wieder mit diesem Verehrer aufgezogen, aber ihm hat sie es auch nicht gesagt, sondern bei Fragen immer nur gelächelt wie eine Katze, die Sahne genascht hat. Hier, probier sie an.«
Das Elfenbein legte sich kühl und schwer um meinen Arm. Ich konnte es mir nicht verkneifen, mit dem Finger über die tiefgelbe, vom Alter gezeichnete Oberfläche zu streichen.
»Aye, sie stehen dir«, erklärte Jenny. »Und sie passen zu dem gelben Kleid. Hier sind die Ohrringe – steck sie dir an, dann gehen wir nach unten.«
Murtagh saß am Küchentisch und futterte Schinken von der Spitze seines Dolches. Mrs. Crook, die mit einem Servierteller hinter ihm vorbeiging, ließ ihm drei frische heiße Brotfladen auf den Teller gleiten, ohne ihre Schritte dabei ernsthaft zu verlangsamen.
Jenny huschte geschäftig durch die Küche und beaufsichtigte die Vorbereitungen. Hinter Murtagh blieb sie stehen, um über seine Schulter hinweg einen Blick auf seinen Teller zu werfen, der sich rapide leerte.
»Nur keine Zurückhaltung, Mann«, sagte sie. »Wir haben schließlich noch ein Schwein im Pferch.«
»Gönnst du einem Verwandten etwa den kleinen Happen nicht?«, fragte er und kaute dabei genüsslich weiter.