»Ich?« Jenny stemmte beide Hände in die Hüften. »Himmel, nein! Du hast schließlich erst vier Teller leer geputzt. Mrs. Crook«, wandte sie sich der Haushälterin zu, »wenn Ihr mit den Keksen fertig seid, gebt diesem verhungernden Mann eine Schale Porridge, damit er sich damit die Ritzen stopfen kann. Wir wollen doch nicht, dass er an der Tür in Ohnmacht fällt.«
Als Murtagh mich im Eingang entdeckte, verschluckte er sich prompt an einem Stück Schinken.
»Mmmpfm«, begrüßte er mich, nachdem ihm Jenny hilfsbereit auf den Rücken gehämmert hatte.
»Freut mich auch, dich zu sehen«, erwiderte ich und nahm ihm gegenüber Platz. »Übrigens, danke.«
»Mmpfm?« Die Frage wurde durch einen halben, mit Honig bestrichenen Brotfladen gedämpft.
»Dass du meine Sachen aus der Burg mitgebracht hast.«
»Mmp.« Er winkte mit einer Handbewegung ab, die als Griff nach der Butterschale endete.
»Deine Kräuter und all das habe ich ebenfalls mitgebracht«, sagte er und wies mit einem Ruck seines Kopfes zum Fenster. »Draußen vor dem Haus, in meinen Satteltaschen.«
»Du hast meine Arzneikiste mitgebracht? Das ist ja wunderbar!« Ich war überglücklich. Die Heilkräuter waren zum Teil sehr selten, und es war mühsam gewesen, sie aufzuspüren und korrekt zuzubereiten.
»Aber wie hast du das geschafft?«, fragte ich. Nachdem ich mich vom Grauen des Hexenprozesses erholt hatte, hatte ich mich oft gefragt, wie die Bewohner der Burg meine überraschende Festnahme und meine Flucht wohl aufgenommen hatten. »Ich hoffe, du bist nicht in Schwierigkeiten geraten.«
»Och, nein.« Er biss noch einmal herzhaft zu, schluckte aber erst gemächlich herunter, ehe er mit seiner Antwort fortfuhr.
»Mrs. Fitz hatte schon alles in die Kiste gepackt und in Sicherheit gebracht. Ich bin nämlich erst zu ihr gegangen, weil ich ja nicht wusste, wie man mich empfangen würde.«
»Sehr vernünftig. Ich wäre auch nicht davon ausgegangen, dass Mrs. Fitz bei deinem Anblick losschreien würde«, stimmte ich zu. Die Brotfladen dampften sacht in der kühlen Luft und dufteten himmlisch. Als ich die Hand danach ausstreckte, klirrten die Eberzahnreifen an meinem Handgelenk. Ich sah, wie Murtaghs Blick darauf fiel, und schob sie so zurecht, dass er die gravierten Silberenden sehen konnte.
»Sind sie nicht schön?«, fragte ich. »Jenny sagt, sie haben ihrer Mutter gehört.«
Murtagh senkte den Blick auf den Porridge, den ihm Mrs. Crook unsanft vor die Nase gestellt hatte.
»Sie stehen dir gut«, murmelte er. Dann kehrte er wieder zu unserem Thema zurück und sagte: »Nein, sie hätte tatsächlich nicht um Hilfe gerufen. Ich habe Glenna FitzGibbons einmal gut gekannt.«
»Oh, eine Verflossene, wie?«, spöttelte ich und weidete mich an der kuriosen Vorstellung, wie sich Murtagh in amouröser Umarmung mit der kräftigen Mrs. FitzGibbons verschlang.
Murtagh blickte frostig von seinem Porridge auf.
»Nein, das war sie nicht, und ich wäre dir dankbar, wenn du einen zivilen Ton wahren würdest, wenn du von der Dame sprichst. Ihr Mann war der Bruder meiner Mutter. Und du solltest wissen, dass sie deinetwegen sehr gelitten hat.«
Beschämt senkte ich meinen Blick und griff nach dem Honig, um meine Verlegenheit zu überspielen. Das Steinguttöpfchen hatte in kochendem Wasser gestanden, um den Inhalt zu verflüssigen, und es war angenehm warm.
»Es tut mir leid«, sagte ich und träufelte die süße goldene Flüssigkeit über das Brot, vorsichtig, damit sie nicht hinunterlief. »Ich habe mich schon gefragt, wie sie sich gefühlt haben mag, als … als ich …«
»Sie haben anfangs gar nicht gemerkt, dass du fort warst«, sagte er nüchtern, ohne auf meine Entschuldigung einzugehen. »Als du nicht zum Essen gekommen bist, dachten sie, du wärst vielleicht lange auf den Feldern gewesen und ohne Essen ins Bett gegangen; deine Tür war ja verschlossen. Und als am nächsten Tag Mistress Duncans Festnahme in aller Munde war, ist niemand darauf gekommen, nach dir zu suchen. Es war ja keine Rede von dir, nur von ihr, und in der Aufregung hat keiner an dich gedacht.«
Ich nickte nachdenklich. Niemand würde mich vermisst haben außer denen, die eine ärztliche Behandlung brauchten; ansonsten hatte ich die Zeit von Jamies Abwesenheit weitgehend in Colums Bibliothek verbracht.
»Und Colum?«, fragte ich. Es war mehr als bloße Neugier; war das Ganze wirklich sein Plan gewesen, wie Geillies dachte?
Murtagh zuckte mit den Schultern. Er suchte den Tisch nach weiteren Viktualien ab, fand aber anscheinend nichts, was ihm zusagte. Also lehnte er sich zurück und verschränkte die Hände entspannt vor seinem flachen Bauch.
»Als ihn die Neuigkeit aus dem Dorf erreichte, hat er auf der Stelle die Tore schließen lassen und verboten, dass irgendjemand aus der Burg ins Dorf ging, weil er nicht in den Tumult verwickelt werden wollte.« Er lehnte sich noch weiter zurück und betrachtete mich nachdenklich.