Als sich die Pächter später am Nachmittag in die wärmeren Gefilde von Vorratskammer und Salon zurückzogen, um sich vor dem Aufbruch noch einmal zu stärken, erspähte ich Jamie vom Fenster aus. Er schlenderte gemeinsam mit dem schmuddeligen MacNab auf den Schweinestall zu und hatte ihm kameradschaftlich den Arm um die Schultern gelegt. Die beiden verschwanden hinter dem Stall, als wollten sie irgendetwas von landwirtschaftlichem Interesse inspizieren. Innerhalb der nächsten ein, zwei Minuten tauchten sie allerdings schon wieder auf und steuerten auf das Haus zu.
Jamie hatte dem schmaleren Mann immer noch den Arm um die Schultern gelegt, doch jetzt schien er ihn zu stützen. MacNabs Gesicht hatte ein ungesundes Grau angenommen; er glänzte schweißnass und ging sehr langsam, anscheinend unfähig, sich komplett aufzurichten.
»Schön, das ist also abgemacht«, sagte Jamie fröhlich, als sie in Hörweite kamen. »Deine Frau wird sich bestimmt über das zusätzliche Geld freuen, was, Ronald? Ah, hier ist ja auch dein Maultier – gut sieht es aus, nicht wahr?« Das mottenzerfressene Muli, das MacNab zu uns getragen hatte, kam vom Hof geschlurft, wo es die Gastfreundschaft des Anwesens genossen hatte. Aus seinem Maulwinkel ragte ein wenig Heu, das bei jeder Kaubewegung zuckte.
Jamie hielt MacNab die Hand unter den Fuß, um ihm hinaufzuhelfen; allem Anschein nach dringend benötigte Hilfe. MacNab reagierte weder mit einem Wort noch mit einem Winken auf Jamies überschwengliche Abschiedswünsche, sondern starrte nur benommen vor sich hin, während er im Schritt davonritt, als sei er auf eine geheime Sorge konzentriert, die seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Jamie blieb auf den Zaun gestützt stehen, bis MacNabs schäbige Gestalt hinter der Hügelkuppe verschwand, und tauschte noch ein paar freundliche Worte mit den anderen Pächtern aus, die sich jetzt ebenfalls allmählich alle heimwärts wandten. Dann richtete er sich mit einem letzten Blick zur Straße auf, drehte sich um und stieß einen Pfiff aus. Eine schmächtige Gestalt mit einem zerrissenen, aber sauberen Hemdchen und einem fleckigen Kilt kroch unter dem Heuwagen hervor.
»Also, kleiner Rabbie«, sagte Jamie herzlich. »Sieht ganz so aus, als hätte dein Vater doch erlaubt, dass du unser Stalljunge wirst. Ich bin sicher, dass du hart arbeiten und ihm alle Ehre machen wirst, nicht wahr?« Runde, blutunterlaufene Augen starrten dumpf aus dem schmutzigen Gesicht empor. Der Junge zeigte keine Reaktion, bis Jamie die Hand ausstreckte, ihn sacht bei der Schulter nahm und ihn in Richtung der Pferdetränke drehte.
»In der Küche wartet das Essen auf dich, Junge. Aber wasch dich besser erst ein bisschen; Mrs. Crook nimmt es sehr genau damit. Oh, und Rabbie …«, er beugte sich vor, um im Flüsterton weiterzusprechen, »achte auf deine Ohren, sonst wäscht sie sie dir. Meine hat sie heute Morgen auch geschrubbt.« Er legte die Hände hinter die Ohren und wackelte damit. In Rabbies Gesicht tauchte ein schüchternes Lächeln auf, und er flüchtete zur Tränke.
»Ich bin froh, dass du es hinbekommen hast«, sagte ich und hakte mich bei Jamie ein, um zum Abendessen ins Haus zu gehen. »Das mit dem kleinen Rabbie MacNab, meine ich. Aber wie hast du das überhaupt geschafft?«
Er zuckte mit den Schultern. »Och, bin einfach mit Ronald hinter das Brauhaus gegangen und habe ihm ein-, zweimal die Faust in die Weichteile gerammt. Habe ihn gefragt, ob er sich lieber von seinem Sohn trennen möchte oder von seiner Leber.« Er sah mich stirnrunzelnd an.
»Es war nicht richtig, aber ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen. Und ich wollte auf gar keinen Fall, dass der Junge mit ihm zurückgeht, nicht nur, weil ich es seiner Großmutter versprochen hatte. Jenny hat mir beschrieben, wie der Rücken des Jungen aussieht.« Er zögerte. »Ich sage dir, Sassenach, mein Vater hat mich verdroschen, so oft er es nötig fand, und um einiges öfter, als ich es nötig fand. Aber ich habe nie vor Angst den Kopf eingezogen, wenn er mich angesprochen hat. Und ich glaube nicht, dass der kleine Rabbie eines Tages mit seiner Frau im Bett liegen und darüber lachen wird.«
Er zog die Schultern zu diesem seltsamen halben Achselzucken hoch, das ich seit Monaten nicht mehr bei ihm gesehen hatte.
»Er hat recht; der Junge ist sein Sohn, er kann mit ihm tun, was er will. Und ich bin nicht Gott, nur der Gutsherr, und das ist ja wahrhaftig um einiges niedriger anzusiedeln. Trotzdem …« Er blickte mit einem schiefen Lächeln auf mich hinunter.
»Es ist ein verdammt schmaler Grat zwischen Gerechtigkeit und Brutalität, Sassenach. Ich hoffe nur, dass ich mich auf die richtige Seite gestellt habe.«
Ich legte ihm den Arm um die Hüfte und drückte ihn an mich.
»Du hast das Richtige getan, Jamie.«
»Meinst du?«
»Ja.«