Die Ernte war harte Arbeit, und gegen Ende des Abendessens nickten Ian und Jamie oft ein. An diesem Abend war ich vom Tisch aufgestanden, um den Pudding zum Dessert zu holen, und als ich zurückkehrte, schliefen die beiden tief und fest, und Jenny lachte vor den Überresten des Abendessens leise vor sich hin. Ian hing zusammengesackt auf seinem Stuhl und atmete schwer, das Kinn auf der Brust. Jamie hatte die Wange auf den verschränkten Armen liegen und schnarchte friedlich auf dem Tisch zwischen der Servierplatte und der Pfeffermühle.
Jenny nahm mir den Pudding ab und tischte uns beiden auf. Dabei schüttelte sie den Kopf über die schlummernden Männer.
»Sie haben so furchtbar gegähnt«, sagte sie, »dass ich mich gefragt habe, was wohl passieren würde, wenn ich aufhöre zu reden. Also war ich still, und siehe da, zwei Minuten später waren sie beide weg.« Sanft strich sie Ian das Haar aus der Stirn.
»Deshalb kommen hier im Juli so wenige Kinder zur Welt«, erklärte sie und zog schelmisch die Augenbraue hoch. »Die Männer können sich im November nicht lange genug wach halten, um eins anzusetzen.« Das stimmte, und ich lachte. Jamie bewegte sich neben mir und prustete, und ich legte ihm die Hand in den Nacken, um ihn zu beruhigen. Seine Lippen verzogen sich automatisch zu einem sanften Lächeln, dann entspannten sie sich wieder.
Jenny, die ihn beobachtete, sagte: »Das ist ja komisch. Das habe ich zuletzt gesehen, als er ganz klein war.«
»Was denn?«
Sie nickte. »Dieses Lächeln im Schlaf. Das hat er immer getan, wenn man vorbeikam und ihn in der Wiege gestreichelt hat oder sogar später in dem Rollbettchen. Manchmal haben Mutter und ich ihm mit Absicht den Kopf gestreichelt, um zu sehen, ob wir ihn zum Lächeln bringen konnten; er hat es jedes Mal getan.«
»Das ist merkwürdig, nicht wahr?« Ich strich ihm versuchsweise mit der Hand über Hinterkopf und Nacken. Und tatsächlich – ich wurde auf der Stelle mit einem unvergleichlich süßen Lächeln belohnt, das kurz anhielt, ehe sein Gesicht wieder die strenge Miene annahm, die er normalerweise im Schlaf trug.
»Ich frage mich, warum er das macht«, sagte ich und beobachtete ihn fasziniert. Jenny zuckte mit den Schultern und grinste mich an.
»Ich vermute, es bedeutet, dass er glücklich ist.«
Am Ende brachen wir doch nicht am nächsten Tag auf. Mitten in der Nacht wurde ich wach, weil sich jemand leise im Zimmer unterhielt. Als ich mich umdrehte, sah ich Ian mit einer Kerze über das Bett gebeugt stehen.
»Das Baby kommt«, sagte Jamie, als er sah, dass ich wach war. Er setzte sich und gähnte. »Ein bisschen früh, nicht wahr, Ian?«
»Man weiß nie. Der kleine Jamie war damals spät dran. Lieber zu früh als zu spät, denke ich.« Ian lächelte flüchtig und nervös.
»Sassenach, kannst du ein Kind zur Welt bringen? Oder sollte ich besser die Hebamme holen?«, wandte sich Jamie fragend an mich. Ich zögerte nicht eine Sekunde mit meiner Antwort.
Ich schüttelte den Kopf. »Hol die Hebamme.« Ich hatte während meiner Schwesternausbildung nur drei Geburten miterlebt, die alle in einem sterilen Operationssaal stattgefunden hatten; die Patientinnen waren verhüllt und anästhesiert, und es war nichts weiter zu sehen gewesen außer ihrem jeweils grotesk anschwellenden Damm und dem plötzlich austretenden Kopf.
Nachdem sich Jamie hilfsbereit auf den Weg zu Mrs. Martins, der Hebamme, gemacht hatte, folgte ich Ian die Treppe hinauf.
Jenny saß bequem zurückgelehnt in einem Sessel am Fenster. Sie trug ein altes Nachthemd und hatte das Bett abgezogen und eine alte Decke schützend über die Matratze gelegt. Jetzt saß sie einfach nur da. Und wartete.
Ian drückte sich nervös in ihrer Nähe herum. Jenny lächelte zwar, doch mit einem abwesenden, nach innen gekehrten Blick, als lauschte sie auf etwas in weiter Ferne, das nur sie hören konnte. Ian wanderte komplett angekleidet durch das Zimmer und nahm Gegenstände in die Hand und stellte sie wieder hin … bis Jenny ihm befahl zu gehen.
»Geh nach unten und wecke Mrs. Crook, Ian«, bat sie und lächelte, um es ihm leichter zu machen. »Sag ihr, sie soll alles für Mrs. Martins vorbereiten. Sie weiß, was zu tun ist.« Dann atmete sie scharf ein und legte beide Hände auf ihren unförmigen Bauch. Ich starrte sie an und beobachtete dann fasziniert, wie sich ihr Bauch plötzlich fest nach oben zog. Sie biss sich auf die Lippen und atmete einen Moment lang schwer, dann entspannte sie sich. Ihr Bauch hatte seine normale Form wieder angenommen, ein an beiden Enden gerundeter, hängender Tropfen.
Ian legte ihr zögernd die Hand auf die Schulter. Sie bedeckte sie mit der ihren und blickte lächelnd zu ihm auf.
»Und dann sag ihr, sie soll dir etwas zu essen geben, Mann. Du und Jamie, ihr werdet beide einen Bissen brauchen. Es heißt ja, das zweite Baby kommt schneller als das erste; vielleicht bin ich ja selbst reif für einen Happen, bis ihr mit dem Frühstück fertig seid.«