»Von Vergewaltigungen halte ich nichts, und wir haben ohnehin keine Zeit dazu.« Ich war zwar froh, diese Grundsatzerklärung zu vernehmen, auch wenn mir ihr moralisches Fundament ein wenig dubios erschien. Doch ich blieb weiter nervös angesichts der unverhüllt lasziven Mienen in einigen der anderen Gesichter. Ich hatte das absurde Gefühl, als sei ich in Unterwäsche in der Öffentlichkeit erschienen. Zwar hatte ich keine Ahnung, was diese Highlandbanditen im Schilde führten, aber sie kamen mir verdammt gefährlich vor. Ich biss mir auf die Zunge und verkniff mir eine ganze Reihe mehr oder weniger unkluger Bemerkungen, die sich mit aller Macht an die Oberfläche drängen wollten.
»Was meinst du, Murtagh?«, wollte Dougal von meinem Bewacher wissen. »Für Rupert scheint sie zumindest nichts übrig zu haben.«
»Das sagt gar nichts«, wandte ein kleiner, fast kahlköpfiger Mann ein. »Er hat ihr ja kein Silber angeboten. Man kann von einer Frau nicht erwarten, dass sie so etwas wie Rupert ohne ordentliche Bezahlung nimmt – und zwar im Voraus«, fügte er zur beträchtlichen Belustigung seiner Begleiter hinzu. Doch Dougal brachte den Lärm mit einer abrupten Geste zum Schweigen und wies mit einem Ruck seines Kopfes zur Tür. Der kahlköpfige Mann, der immer noch grinste, glitt gehorsam in die Dunkelheit hinaus.
Murtagh, der nicht in das Gelächter eingestimmt hatte, betrachtete mich mit gerunzelter Stirn. Er schüttelte den Kopf, so dass die fettigen Haarfransen auf seiner Stirn hin und her schwangen.
»Nein«, sagte er entschlossen. »Ich habe keine Ahnung, was sie sein könnte – oder wer –, aber ich verwette mein bestes Hemd darauf, dass sie keine Hure ist.« In diesem Fall hoffte ich, dass es nicht das Hemd war, das er trug, denn es sah kaum so aus, als würde sich die Wette lohnen.
»Du musst es ja wissen, Murtagh, du hast ja schon genug davon gesehen«, höhnte Rupert, doch Dougal brachte ihn schroff zum Schweigen.
»Wir werden es später herausfinden«, entschied Dougal in einem keinen Widerspruch duldenden Ton. »Wir haben heute Nacht noch eine lange Strecke vor uns, und vorher müssen wir etwas für Jamie tun; er kann so nicht reiten.«
Ich wich in den Schatten neben dem Kamin zurück, um keine weitere Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Der Mann namens Murtagh hatte mir die Hände losgebunden, ehe er mich hier hereingeführt hatte. Vielleicht konnte ich ihnen ja entschlüpfen, während sie anderweitig beschäftigt waren. Das Augenmerk der Männer hatte sich jetzt auf einen jungen Mann gerichtet, der vornübergebeugt auf einem Hocker in der Ecke saß. Während meines Auftauchens und meiner Befragung hatte er kaum aufgeblickt, sondern den Kopf gesenkt gehalten. Seine linke Hand umklammerte die rechte Schulter, und er wiegte sich vor Schmerzen sacht hin und her.
Dougal schob die Hand behutsam beiseite. Einer der Männer zog das Plaid des jungen Mannes zurück und legte ein schmutzverschmiertes Leinenhemd bloß, das voller Blutflecken war. Ein kleiner Mann mit einem buschigen Schnurrbart trat mit einem Messer hinter den Jungen, hielt das Hemd am Kragen fest und schlitzte es quer über der Brust und am Ärmel auf, so dass es dem Jungen von der Schulter fiel.
Ich schnappte nach Luft, genau wie mehrere der Männer. Die Schulter war schwer verletzt; eine tiefe, zerfetzte Furche lief darüber hinweg, und das Blut sickerte dem jungen Mann unentwegt über die Brust. Noch schockierender jedoch war die Schulter selbst. Sie war grotesk ausgebeult, und der Arm hing in einem unmöglichen Winkel herunter.
Dougal grunzte. »Mmpf. Ausgerenkt, armer Kerl.« Der junge Mann blickte zum ersten Mal wirklich hoch. Obwohl sein Gesicht schmerzverzerrt und mit roten Bartstoppeln überwuchert war, war es ein ausdrucksvolles, gutmütiges Gesicht.
»Bin mit ausgestreckter Hand gefallen, als mich die Musketenkugel aus dem Sattel geworfen hat. Ich bin mit dem ganzen Gewicht auf der Hand gelandet, und
»Knirsch, das kann man wohl sagen.« Der Mann mit dem Schnurrbart, ein Schotte und seinem Akzent nach gebildet, betastete die Schulter, so dass der Junge vor Schmerz das Gesicht verzog. »Die Wunde ist kein Problem. Die Kugel ist glatt hindurchgegangen, und sie ist sauber – sie blutet ja auch genug.« Der Mann nahm einen schmutzigen Lappen vom Tisch und benutzte ihn, um das Blut aufzusaugen. »Aber ich weiß nicht genau, was ich mit dem Gelenk machen soll. Wir würden einen Wundarzt brauchen, um es anständig einzurenken. Du kannst doch so nicht reiten, oder, Jamie?«
Der junge Mann schüttelte kreidebleich den Kopf. »Es schmerzt schon genug, wenn ich still sitze. Mit einem Pferd käme ich nicht zurecht.« Er kniff die Augen zu und biss sich fest auf die Unterlippe.